Das oben abgebildete Foto wurde von mir um den 01. November 1989 von einer Aussichtplattform direkt an der Berliner Mauer im Westteil Berlins aus aufgenommen und zeigt den Potsdamer Platz oder besser gesagt, den Bereich wo der Potsdamer Platz vor dem Mauerbau existierte, da der größte Teil dieses Geländes in den abgebildeten Teil des Todesstreifens integriert war.
Bis zum Tag des Mauerbaus am 13. August 1961 war der Potsdamer Platz verkehrstechnisch einer der meistbefahrenen Plätze Deutschlands und Europas. Nach der hermetischen Abriegelung durch das DDR-Régime fristete der Potsdamer Platz als Teil des Todesstreifens ein kulturelles Schattendasein.
Deshalb wurde hier am 12. November 1989 unmittelbar nach dem Fall der Mauer sofort ein provisorischer Grenzübergang eingerichtet.
Die 3 bis 4 Meter hohe Berliner Mauer verläuft rechts des Bildes weiter und macht hier einen Riesenbogen aus dem Foto heraus, bevor sie wieder in mehreren hundert Metern Entfernung von rechts aus ins Bild eintritt. Man erkennt auf diesem Schwarz-Weiß-Foto sehr gut den Kontrast zwischen der dem Westteil zugewandten und mit Graffiti besprühten Mauerseite und der völlig unbefleckten ostwärts zugewandten weißen Mauerseite als rechte Begrenzung des Todesstreifens.
Innerhalb des teilweise 80 Meter breiten Todesstreifens befand sich hinter der aus Betonteilen gefertigten Mauer ein sogenannter Kfz-Sperrgraben. Dieser ca. drei Meter breite und 1,50 Meter tiefe Graben sollte Autos oder LKWs nach einem Grenzdurchbruch stoppen.
Außerdem erkennt man sehr gut die den Todesstreifen im Ostteil begrenzende zweite, in leuchtend-weißen Rechtecken gestrichene Mauer („Hinterlandmauer“ mit einem elektrisch geladenen „Kontakt-Signalzaun“ der bei Berührung Licht- und Geräuschalarm auslöste) und einen unmittelbar davor platzierten Wachturm. Weiterhin sieht man den vor den Lichtstrahlern verlaufenden befestigten „Kolonnenweg“, der nachts sehr gut ausgeleuchtet wurde und den Patrouillen der DDR-Grenzschutztruppen eine perfekte Sicht garantierte.
Wer hier von Ostberlin aus in den Westteil der Stadt flüchten wollte, hatte eine Kaskade von tödlichen Hindernissen zu überwinden, was in diesem Bereich der Grenze zwischen Ost und West bis zum Mauerfall niemandem gelungen ist.
Der letzte Fluchtversuch im Bereich Neukölln endet am 06.02.1989 für den damals 21-jährigen Chris Gueffroy durch die Kugeln aus der Kalaschnikow eines DDR-Grenzschutzsoldaten tödlich.
Die Tatsache, dass noch im Februar des Jahres 1989 ein junger Mann die Flucht über den Todesstreifen gewagt hat, zeigt, dass offensichtlich niemand zu Beginn des Jahres 1989 mit dem Mauerfall am Jahresende gerechnet hatte.
Ansonsten wäre Chris Gueffroy heute mit ziemlicher Sicherheit noch am Leben.
Text und Fotos: Thomas Lauxen