Hallo, liebe IGEL-Leser*in, hier schreibt Laura, Eure Schülerprecherin. 😉
In Musik singen und behandeln wir zurzeit politische Lieder. Wir begannen das Thema mit „Wind of Change” (Scorpions) und „Leningrad” (Billy Joel) an, Songs, die in der Zeit des Kalten Krieges bzw. dessen Ende entstanden und die politische Situation von vor gut 30 Jahren darstellen. Beide Lieder spiegeln die Situation sowohl historisch als auch emotional. Das brachte mich auf die Idee, meine Oma, die in der DDR lebte, über ihr Leben in der DDR zu befragen und mir von ihrem ganz persönlichen Erleben des Mauerfalls am 09.11..1989 erzählen zu lassen.
Hier kommt ihr Bericht:
„Es war der 13.08. 1961, als ich morgens nichtsahnend aufwachte, das Radio anmachte und dachte „oh mein Gott, was passiert denn hier!?” Es kam die Nachricht, dass Berlin nun in zwei Teile geteilt war. Wir waren alle völlig schockiert. Innerhalb von einer Nacht wurde uns die Freiheit genommen, unsere Familie zu besuchen oder irgendwo Urlaub zu machen. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, welches Ausmaß das Ganze noch nehmen wird. Wir hätten zu dem Zeitpunkt nie gedacht, dass aus so einem kleinen Provisorium mit Stacheldraht eine so große massive Mauer mit Hunderten von Wachtürmen, Hunden, bewaffneten Soldaten und Selbstschussanlagen werden könnte. Zu dem Zeitpunkt hatten wir einfach nur noch Angst, wie es in Zukunft weitergehen wird. Uns wurde damals gesagt, die Mauer würde nur dazu dienen, die Invasionsgefahr, die angeblich vom Westen ausging, fernzuhalten. Doch nach und nach wurde uns klar, dass es eher darum ging, uns DDR-Bürger daran zu hindern, das Land zu verlassen.
Wir haben anfangs einfach versucht, uns damit abzufinden. Wir hatten damals aber tatsächlich Glück, dass wir auf dem Land wohnten und uns somit komplett mit Gemüse und Fleisch selber versorgen konnten. Es gab nicht alle Lebensmittel so wie heute. Wir mussten zum Beispiel auf Bananen sehr sehr lange warten. Man brauchte gute Kontakte, um an viele Dinge ranzukommen und damals wurde viel untereinander getauscht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir mal Beton brauchten, da habe ich mit meinem Nachbar ein Schwein gegen Beton getauscht. Man ging in die Stadt und sah Schlangen vor den Läden und da hat man sich halt einfach mit in diese Schlange gestellt, ohne zu wissen, warum man genau gerade da steht. Aber es hat sich immer gelohnt, sich mit anzustellen, denn es waren meist Dinge, die viele Menschen haben wollten und dadurch war es eine gute Tauschware. Aber trotz dieser Mangel-wirtschaft hatten wir nie ein schlechtes Leben, wir mussten nie Hunger leiden. Wir waren allerdings immer neidisch auf den Westen, im Westen musste man zum Beispiel keine zehn Jahre auf ein Auto warten.
Im Westen gab es die großen Firmen, die nicht in die DDR importiert haben. Im Westen hatte man immer mehr Auswahl. Darauf waren damals viele Menschen neidisch, ich denke, darum wollten auch so viele Menschen in den Westen. Ich wäre damals allerdings nie auf die Idee gekommen, in den Westen abzuhauen, zu groß war die Angst, erschossen zu werden. Meine Tochter Petra hat im Jahr 1974 allerdings den Schritt gewagt und wurde festgenommen. Sie musste daraufhin für sieben Jahre ins Gefängnis. Eigentlich sollte sie für zehn Jahre gehen, nur der Westen hat sie damals freigekauft aufgrund ihres guten Abschlusses und der hohen Arbeitslosigkeitsrate im Westen. Im Osten hatten wir nie wirklich eine große Arbeitslosigkeit. Bei uns gab es allerdings auch viele Kindergärten und die Frauen gingen genauso wie die Männer arbeiten. Und meine Kinder konnten sich damals nur zwischen drei oder vier Berufen entscheiden und mussten dann einen davon nehmen.
So langsam merkte man in der Gesellschaft immer mehr, wie sehr das Maß voll war. Alle Menschen waren genervt und hätten am liebsten damals schon einen Aufstand gemacht. Allerdings traute sich das zu dem Zeitpunkt keiner, weil wir alle wussten, dass die Sowjetunion dagegen große Schritte einleiten würde. Also lebten wir jahrelang so weiter, bis ich im Jahr 1988 den Fernseher anmachte und dort hörte, dass Menschen in Leipzig auf die Straße gingen und demonstrierten. Das war der Anfang der Montagsdemos, und als ich das sah, war ich echt ein wenig erleichtert und hoffte, dass sich da vielleicht bald etwas ändern könnte, da die damalige Regierung sah, dass die Menschen anfingen, für ihre Freiheit aktiv etwas zu tun. Die Demonstrationen haben sich dann immer weiter ausgebreitet, bis eines Tages die Nachricht kam, dass man von Ungarn nach Österreich in den Westen kommen konnte. Dies war für viele Menschen noch ein Grund mehr, für ihre Rechte zu kämpfen, da sie sahen, dass sich was tat.
Am 9. November dann, als meine Söhne alle weg waren, schon im Westen, kam die Nachicht im Ersten bei der Tagesschau, dass man jetzt überall in den Westen gehen konnte. Dies war so ein unfassbar schöner Moment, ich hatte so eine Gänsehaut zu dem Zeitpunkt! Meinen Kindern kamen die Tränen, sie konnten das gar nicht glauben. Ich habe dann erstmal versucht, in den Westen zu telefonieren, doch das ging nicht, da die Leitungen komplett überlastet waren. Meine Tochter Ilona fuhr direkt zur Grenze, aber da war damals noch alles zu. Die Soldaten hatten absolut keine Ahnung und wollten niemand rüberlassen. Als sie die Menschen dann endlich kurz vor Mitternacht rüber durften, haben wir das Ganze erst richtig realisiert. Endlich war das Grauen vorbei. Ich konnte nach so vielen Jahren meine Tochter Petra wiedersehen und wir waren damals nur noch glücklich.”
Bilder und Bericht aufgeschrieben von Laura Kretzschmar, 10b
Sehr schön sind auch die Fotos! Guter Beitrag.
Ich finde es schön, dass jemand sich die Mühe gemacht hat, in seiner Familie nachzufragen, wie das damals war. Ist ein gelungener Artikel, meiner Meinung nach.