Erinnerungen an die Novembertage 1989 bis zum Mauerfall am 09.11. (TEIL 4) – ein Zeitzeugenbericht

Heu­te folgt Teil 4 unse­rer Zeitzeugen-Serie -
Unser Zeit­zeu­ge Tho­mas Lau­xen berichtet: 

Fol­gen­de Erin­ne­run­gen sind mit die­sem Foto verbunden:
Wie schon im 1. Teil (sie­he fol­gen­den Link) der Serie zum Jah­res­tag des Mau­er­falls beschrieben,

Erin­ne­run­gen an die Novem­ber­ta­ge 1989 bis zum Mau­er­fall am 09.11.

hat­te ich mich in mei­nem jugend­li­chen Leicht­sinn an die­sem Abend sehr nah an die Grenz­schutz­an­la­gen rund um das Bran­den­bur­ger Tor von Ost­ber­li­ner Sei­te aus her­an­ge­wagt, um die Gren­ze mit dem Todes­strei­fen ille­gal zu foto­gra­fie­ren. Das Bizar­re auf die­sem Foto sind die vier abge­bil­de­ten NVA-Sol­da­ten der DDR-Grenz­trup­pen, die hier nicht nur zum Grenz­schutz ein­ge­setzt wur­den, son­dern gleich­zei­tig noch das Foto­gra­fier­ver­bot der Grenz­an­la­gen zu über­wa­chen hat­ten. Da es in der DDR streng ver­bo­ten war, die Grenz­schutz­an­la­gen zu foto­gra­fie­ren, weil man sich damit der Repu­blik­flucht bzw. deren Pla­nung ver­däch­tigt mach­te, exis­tie­ren nicht vie­le Fotos vom Bran­den­bur­ger Tor aus die­ser Per­spek­ti­ve von vor 1989.

Mein dama­li­ger Foto­ap­pa­rat besaß kein Tele­ob­jek­tiv mit Zoom und des­halb muss­te ich für die­se Auf­nah­me ent­spre­chend nah an die Sperr­an­la­gen und damit auch an die Wach­pos­ten her­an­ge­hen. Um hier­bei nicht auf­zu­fal­len, konn­te ich in der Dun­kel­heit logi­scher­wei­se kein Blitz­licht ver­wen­den. Wenn es in die­ser Situa­ti­on aus mei­ner Rich­tung geblitzt hät­te, wäre mein Foto­ap­pa­rat sofort kon­fis­ziert und ich ver­mut­lich ver­haf­tet und mit dem links abge­bil­de­ten Klein­bus abtrans­por­tiert wor­den. Also habe ich zunächst an mei­nem unter der Jacke ver­steck­ten Foto­ap­pa­rat eine extrem lan­ge Belich­tungs­zeit ein­ge­stellt und bin anschlie­ßend mit inter­es­sier­tem Blick Rich­tung Bran­den­bur­ger Tor an einem etwas höhe­ren dicht­be­wach­se­nen Pflan­zen­kü­bel vor­bei­ge­lau­fen. Dabei ist es mir gelun­gen, sozu­sa­gen im Vor­bei­lau­fen mei­nen Foto­ap­pa­rat auf dem Rand des Pflan­zen­kü­bels als fes­tem Unter­grund (ich konn­te ja kein Sta­tiv vor den Augen der Grenz­schüt­zer auf­bau­en) unauf­fäl­lig zwi­schen dem Bewuchs zu plat­zie­ren und den Aus­lö­ser zu betä­ti­gen. Auf­grund der lan­gen Belich­tungs­zeit woll­te ich natür­lich jeg­li­che Erschüt­te­run­gen der Kame­ra unbe­dingt ver­mei­den und die damit ein­her­ge­hen­de Unschär­fe des Fotos auf ein Min­dest­maß redu­zie­ren.  Nun stand mein Foto­ap­pa­rat allei­ne, aber gut getarnt, mit für meh­re­re Sekun­den lang weit geöff­ne­ter Blen­de auf dem Pflan­zen­kü­bel, wäh­rend ich mich mit gespiel­ter Fas­zi­na­ti­on für das hell­erleuch­te­te Bran­den­bur­ger Tor nach rechts im Bild beweg­te. Dabei wur­de die Auf­merk­sam­keit der Grenz­sol­da­ten für kur­ze Zeit in mei­ne Rich­tung nach rechts gelenkt, da sie ja u. a. den Auf­trag hat­ten, dass Foto­gra­fier­ver­bot zu über­wa­chen. Wäh­rend ich also im Visier der Wach­pos­ten stand, so konn­te mei­ne auf dem Pflan­zen­kü­bel ste­hen­de Kame­ra unent­deckt und auto­nom das betref­fen­de Foto schie­ßen bzw. gene­rie­ren, denn hier­für wur­den ja meh­re­re Sekun­den benötigt.

Auf dem Rück­weg konn­te ich mei­ne Kame­ra im Vor­bei­ge­hen in der Manier eines Taschen­diebs mit einer Hand­be­we­gung dann genau­so unauf­fäl­lig wie­der unter mei­ner Jacke ver­schwin­den las­sen und hat­te damit die­ses Foto zu mei­ner Erleich­te­rung „im Kasten”.

Jetzt fragt sich viel­leicht der eine oder ande­re Leser, war­um ich das Risi­ko des Ver­haf­tet­wer­dens für so ein „bana­les” Foto damals ein­ge­gan­gen bin. Hier­für gab es zwei Grün­de. Zum einem bin ich als Staats­an­ge­hö­ri­ger der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land im Fal­le einer Ver­haf­tung ledig­lich von einer anschlie­ßen­den Aus­wei­sung mit Wie­der­ein­rei­se­ver­bot in die DDR aus­ge­gan­gen und hät­te dem­nach ledig­lich auf mei­nen Foto­ap­pa­rat bzw. die dar­in befind­li­chen Fotos ver­zich­ten müssen.

Zum ande­ren habe ich als ehe­ma­li­ger Sol­dat selbst Erfah­run­gen in der Bewa­chung und Siche­rung ver­schie­de­ner mili­tä­ri­scher Anla­gen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land im kal­ten Krieg gesam­melt und muss­te auch im dama­li­gen West­deutsch­land u. a. ein Foto­gra­fier­ver­bot über­wa­chen. Dadurch konn­te ich mich sehr gut in die Situa­ti­on der DDR-Grenz­schutz­trup­pen hin­ein­ver­set­zen und hat­te wahr­schein­lich wesent­lich weni­ger Berüh­rungs­ängs­te als ein Nichtgedienter.

Wer sich für das The­ma DDR-Grenz­an­la­gen inter­es­siert, dem emp­feh­le ich das Buch „Foto­gra­fie­ren ver­bo­ten! – Die Ber­li­ner Mau­er von Osten gesehen”

Hier­in wer­den vie­le Fotos aus der Zeit vor 1989 ver­öf­fent­licht, die der Foto­graf Gerd Rück­er, mit dem per­ma­nen­ten Risi­ko erwischt und bestraft zu wer­den, geschos­sen hat.

Zu den Tei­len 2 und 3 geht es hier:
http://igel.klrplus.de/erinnerungen-an-die-novembertage-1989-bis-zum-mauerfall-am-09–11-teil‑2/

Erin­ne­run­gen an die Novem­ber­ta­ge 1989 bis zum Mau­er­fall am 09.11. (TEIL 3) – ein Zeitzeugenbericht

Text und Foto: Tho­mas Lauxen

5 Antworten auf „Erinnerungen an die Novembertage 1989 bis zum Mauerfall am 09.11. (TEIL 4) – ein Zeitzeugenbericht“

  1. Die­se Ideo­lo­gien trenn­ten die gro­ße Menschheitsfamilie
    in Ost und West:

    1. Die ers­te Theo­rie beruht den Gemeinheiten
    des soziel­is­ti­schen Systems:
    _ wenig Spiel­raum für die feie Ent­fal­tung der Personlichkeit;
    _ Erzieh­ing der Selbstlosigkeit.
    _ Sozia­lis­mus stützt sich auf Ter­ror und Unterdrückung,
    auf die Gleich­schal­tung der Pres­se und Rund­funks, auf vor­ge­schrie­be­nen Wah­len und Ent­zung der per­sön­li­chen Freiheit.

    _ Dar­um ist nicht der Mensch schlecht, dass er Pri­vat­ei­gen­tum besitzt. So könn­ten sie genau­so schlecht sein,
    wel­che arm sind und nichts haben.

    2. Da drü­ben im Osten beein­fluss­te die Menschen
    die­se Propaganda:
    _ das Rit­ter­li­che, das Aben­teu­er­li­che rückt im Kapitalismus
    auf die Sei­te; Im Mit­tel­punkt steht das Geld.
    _ ein Land wird domi­nant und und wird versuchen,
    die gan­ze Welt auf sein Eben­bild zu formen.
    _ ver­mehr­tes Reich­tum, ver­mehr­tes Elend.
    Der Kapi­ta­lis­mus­kri­ti­ker zitiert an der Stel­le Shakespeare:
    „ Gold, kost­bar, fli­mernd, rotes Gold,
    soviel hier­von macht schwarz weiß, häß­lich schön,
    schlecht gut, alt jung, feig tap­fer, nied­rig ideal.
    Ihr Göt­ter, war­um dies, war­um dies, Götter?”

    /Quelle: Geschich­te und Gesche­hen, Ernst Klett Bücherverlag/

  2. Die Wen­de

    1989. Pri­vat­rei­sen nach dem Aus­land kön­nen ohne Vor­lie­gen von Vor­aus­set­zun­gen bean­tragt werden.
    Aus der Pres­se­kon­fe­renz 1989. Gün­ter Schabowski,
    Ers­ter Sekre­tär der SED-Bezirks­lei­tung von Ost-Berlin:

    „Euch ist ja bekannt, dass es ein Pro­blem gibt, die uns alle belas­tet, die fra­ge der Ausreisen.
    Pri­vat­rei­sen nach dem Aus­land kön­nen ohne Vor­lie­gen von Vor­aus­setzn­gen (Rei­se­an­läs­se oder Ver­wand­schafts­ver­hält­nis­se) bean­tragt werden.

    Es gibt eine Abfol­ge von Schrit­ten, also durch Erweiterung
    der Rei­se­mög­lich­kei­ten die Men­schen, sagen wir mal,
    aus psy­cho­lo­gi­schen Druck­si­tua­tio­nen zu befreien.
    Vie­le die­ser Schrit­te sind je im Grun­de unüber­legt erfolgt.

    Das wis­sen wir ja durch Gesprä­che mit Men­schen, die sich
    in der BRD jetzt in einer kom­pli­zier­ter Lage befin­den, weil die BRD gro­ße Schwie­rig­kei­ten hat die­se Flücht­lin­ge unter­zu­brin­gen. Also die Auf­nah­me­ka­pa­zi­tät der BRD ist im Grun­de erschöpft. Die Unter­brin­gung ist aber geringste
    für den Auf­bau einer Exis­tenz. Ent­schei­dend ist wesent­lich das Fin­den von Arbeit, ja, und die not­wen­di­ge Inte­gra­ti­on der Gesellschaft.”

    Auch das sind die Früch­te des Zerfalls.
    Man zieht dahin, wo die Arbeit ist. In der DDR hat­te jede Arbeit. Für jeden Men­schen wur­de eine Arbeits­stel­le geschaf­fen, ob nötig oder nicht.

  3. Die Deut­sche Demo­kra­ti­sche Repu­blik war nicht nur
    ein sozia­lis­ti­sches Sys­tem, son­dern „ein deut­scher Geschichtsraum”.
    DDR war ein Leser­land. Die Welt war damals
    eine gro­ße Lesergesellschaft.
    Die Ideo­lo­gien tren­nen uns nur voneinander.
    _ Die Mau­er fiel und was blieb?
    _ Gemein­sa­me Wer­te, wie „der Mensch sei hilf­reich und gut.”

  4. Eine Men­ta­li­tät ist her­aus­ge­bil­det, die auto­ri­tär auffällt.
    Aber auch über Libe­ra­lis­mus gibt es ver­schie­de­ne Ansichten.

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