Laut Statistischem Bundesamt gewinnt der Onlinehandel zunehmend an Bedeutung. Davon profitieren auch die Online-Apotheken. Mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro im vergangenen Kalenderjahr 2022 gehört die Shop-Apotheke zu den größten Versand-Apotheken in Europa. Die Igel-Redakteure Klementa und Gianluca aus der 9a hatten vor den Osterferien die Gelegenheit, mit Stefan Feltens, dem noch amtierenden CEO (Vorstandsvorsitzender) der Shop-Apotheke, per Videokonferenz das folgende Interview zu führen:
Wie wird man Chief Executive Officer (CEO) der Shop Apotheke?
Also, wir sind eine Kapitalgesellschaft. Wir werden an der Börse gehandelt und deshalb haben wir einen sogenannten Aufsichtsrat. Das ist sozusagen ein Aufsichtgremium, das maßgeblich die Interessen der Aktionäre vertritt. Der Aufsichtsrat schlägt den CEO vor und der muss dann von der Hauptversammlung gewählt werden. Alle Aktionäre der Shop- Apotheke können dann eine Stimme abgeben, und der CEO muss dann von der Hauptversammlung mit Mehrheit, also mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen, gewählt werden. So wird man CEO der Shop-Apotheke. Bevor ich zur Shop-Apotheke kam, war ich international viel unterwegs. Ich bin dann aus den USA für diese Position wieder nach Deutschland gezogen.
Was haben Sie vorher gemacht?
Ich war sieben Jahre bei der Bundeswehr von 1984–1990, anschließend habe ich bei der Firma Hoechst in Deutschland und dann bei TEVA in den USA gearbeitet. 2010 bin ich nach Kanada gegangen. Dann war ich vier Jahre in Ulm bei Ratiopharm und dann von Ulm aus nach Tel Aviv, 2017 von Tel Aviv wieder zurück in die USA und wie gesagt, dann kam der Anruf von der Shop-Apotheke. Seit September 2018 bin ich jetzt bei der Shop-Apotheke, aber meine Zeit bei der Shop-Apotheke geht jetzt zu Ende.
Gibt es Gründe, warum Sie sich nicht mehr zur Wahl stellen werden?
Mit dem Umzug aus den USA nach Deutschland im Jahr 2018 habe ich bei meiner Familie keine Begeisterungsstürme ausgelöst und musste damals meiner Frau versprechen, meine Frau ist Amerikanerin, dass ich nur für vier Jahre als CEO der Shop-Apotheke zur Verfügung stehe. Also war das von vornherein klar, dass ich nach vier Jahren die Shop-Apotheke verlassen werde.
Welche Ausbildungen haben Sie?
Ich habe Wirtschaftswissenschaften bei der Bundeswehr studiert.
Würden Sie dieselbe Ausbildung noch mal wählen?
Ja, auf jeden Fall.
Die Unternehmenszentrale der Shop-Apotheke befindet sich in den Niederlanden. Warum gerade die Niederlande?
Einerseits kann man von den Niederlanden aus nicht nur Deutschland gut beliefern, sondern auch Belgien, Niederlande, Frankreich und so weiter. Außerdem gibt es in Deutschland ein Gesetz, dass es einem Unternehmen verbietet, Apotheken zu besitzen oder zu betreiben.
Die Prümer Apotheken gehören einem oder mehreren Apothekern, die die Apotheken besitzen und auch betreiben. Die Shop-Apotheke dürfte in Prüm keine Apotheke kaufen und betreiben. Das ist gesetzlich verboten. In den Niederlanden darf jede Firma eine Apotheke besitzen und betreiben. Das ist der Grund, warum wir unser Geschäft gar nicht in Deutschland als Firma betreiben dürfen.
In welchen Ländern gibt es die Shop-Apotheke noch?
Neben Deutschland betreiben wir unser Geschäft auch in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Frankreich sowie in Italien. Unser zweites Distributionszentrum neben unserem Hauptsitz in den Niederlanden wurde im letzten Jahr in der Nähe von Mailand eröffnet. Warum in der Nähe von Mailand? Weil Italien für uns ein sehr interessanter Markt ist, wir glauben, wir können da sehr stark wachsen.
Gibt es in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Produkte, die typischerweise eingekauft werden?
Ja, wir verkaufen in allen Märkten die dort üblichen apothekentypischen Produkte. In Italien oder in Frankreich zum Beispiel würden die Kunden keine deutschen Produkte akzeptieren, weil sie die Produktinformationen auf Italienisch oder Französisch lesen wollen.
Wie alt sind die Kunden in der Shop-Apotheke im Durchschnitt?
Der Durchschnittskunde der Shop-Apotheke ist 42 Jahre alt und weiblich.
Wie hoch ist der Männer- und Frauenanteil bei den Kunden?
Es sind deutlich mehr Frauen.
Wie viele Mitarbeiter hat die Shop-Apotheke?
2500
Welche Berufe gibt es im Unternehmen?
Sehr viele Hightech-Berufe, wir haben zum Beispiel viele Programmierer. In der IT-Abteilung arbeiten über 300 Leute. Aber natürlich auch Apotheker und Apothekerinnen sowie Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten. Darüber hinaus weit über tausend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in unserem Distributionszentrum alle Kundenbestellungen für den Versand vorbereiten.
Gibt es auch Azubis und wenn ja, wie viele?
Ja, wir haben aber nur fünf Azubis, weil es in den Niederlanden das deutsche duale Ausbildungssystem so nicht gibt.
In welchen Bereichen sind die Karrierechancen am besten?
In allen. Auf unserer Website findet ihr viele offene Stellen. Wir suchen im Moment viele neue Mitarbeiter/-innen.
https://shopapothekeeurope.recruitee.com/l/de/
Gab es in ihrem Unternehmen die Überlegung, Medikamente mit Drohnen ausliefern zu lassen?
Nein. Bei über 100.000 Paketen, die wir täglich versenden, wäre eine Auslieferung mit Drohnen z. Zt. nicht vorstellbar.
Unsere Schule unterstützt das Projekt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und bewirbt sich um das Zertifikat „BNE-Schule in Rheinland-Pfalz“. Die Shop-Apotheke hat laut Homepage bereits viele Zertifikate namhafter Organisationen zur Nachhaltigkeit erhalten. Welche Voraussetzungen muss man als Unternehmen erfüllen, um mit diesen Zertifikaten ausgezeichnet zu werden? Gibt es hier Beispiele, die auch für uns als Schule von Bedeutung sein könnten?
Ob das auf Schulen übertragbar ist, weiß ich nicht. Im Unternehmensbereich gibt es sogenannte Rating-Agenturen, die Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit bewerten. Diese Agenturen vergeben Bewertungen von A bis D. Unsere Bewertung im Bereich Nachhaltigkeit ist ein doppeltes A (AA). Das ist schon sehr gut, aber die Bestnote ist ein dreifaches A (AAA). Da sind wir noch nicht. [Ergänzung: Nach unserem Interview wurden wir informiert, dass unser Nachhaltigkeits-Rating von AA auf AAA hochgestuft wurde.]
Wie wirken sich diese Zertifikate auf den Umsatz aus?
Das ist eine schwierige Frage. Wir erhalten relativ wenig Anfragen oder Feedback von unseren Kundinnen und Kunden zum Thema Nachhaltigkeit. Zurzeit spielt das Thema Nachhaltigkeit der Produkte noch keine große Rolle. Aber wir sind davon überzeugt, dass der CO2-Fußabdruck von Medikamenten wie beispielsweise Aspirin und anderen apothekentypischen Produkten in Zukunft an Bedeutung zunehmen wird. Als Kunde kann man ja meistens zwischen verschiedenen Konkurrenzprodukten wählen und dann könnte ich mir vorstellen, dass man sich in Zukunft für das Produkt mit dem geringsten CO2-Fußabdruck entscheidet.
Aber da sind wir im Moment noch nicht. Für unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen gibt es drei Treiber. Erstens die Politik. Die Politik setzt einen ordnungspolitischen Rahmen durch Gesetze, also: Das dürft ihr, das müsst ihr, das dürft ihr nicht.
Der zweite Treiber sind unsere Investoren. Wie bereits erwähnt, sind wir eine Aktiengesellschaft, das heißt, dass die Eigentümer der Shop-Apotheke Aktionäre aus der ganzen Welt sind. Die Aktionäre der Shop-Apotheke sagen uns zum Teil sehr deutlich: “Wenn ihr euch nicht weiterentwickelt, d. h, wenn ihr euer Geschäftsmodell nicht CO2-neutral gestaltet, dann verkaufen wir unsere Aktien und geben euch kein Geld mehr.“ Vielleicht habt ihr den Namen „BlackRock” schon einmal gehört. Das ist der größte Vermögensverwalter der Welt. BlackRock verwaltet ein Vermögen das größer ist als der Bundeshaushalt. Der CEO von BlackRock hat einen Brief an alle Unternehmen geschickt von denen BlackRock Aktien besitzt und Folgendes zum Ausdruck gebracht: Wenn ihr euer Geschäftsmodell nicht decarbonisiert, ziehen wir uns aus eurer Firma zurück und stoßen eure Aktien ab. Als Unternehmen bist du aber daran interessiert, möglichst viele Investoren zu gewinnen, damit der Kurs und damit der Wert des Unternehmens steigt. Ein großes Interesse an einer Aktie für zu steigenden Kursen – das einfache Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Der dritte Treiber sind unsere Kunden und Kundinnen und dann gibt es noch einen halben Treiber, das sind wir selbst. Also das Management und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Shop-Apotheke, denn wir haben an uns selbst den Anspruch, dass wir unser Geschäftsmodell weiterentwickeln wollen, auch wenn die Politik uns keine Vorgaben machen würde.
Wenn ihr – und ich kann euch da nur ermutigen – auf unsere Website geht, dann seht ihr schon heute bei Produkten verschiedene Kennzeichen, wir nennen das Attribute, wie beispielsweise „vegan”. Also ihr könnt heute schon auf unserer Website schauen, ob ein Produkt vegan ist oder nicht, ob es vegetarisch ist oder nicht, ob es biologisch produziert wurde oder nicht.
https://www.shop-apotheke.com/vegane-kosmetik/
Warum sollte ich meine Medikamente in einer Online-Apotheke anstatt in der Apotheke vor Ort kaufen?
Also die Apotheke vor Ort war, ist und bleibt ganz wichtig. Wir wollen die Apotheken vor Ort nicht ersetzen, aber wir sind eine Ergänzung. Im Neuhochdeutschen spricht man da von „Use Cases”. Ich gebe euch drei Beispiele zu Use Cases: Es gibt in Deutschland schon heute Gegenden – da gehört wahrscheinlich auch die Eifel zu – da muss man 20 bis 30 Kilometer fahren, bis man zur nächsten Apotheke kommt und da ist es für Leute, die in solchen Gegenden wohnen, eine wichtige Option, dass man die Medikamente auch bestellen kann. Es gibt auch Leute, die sind mobilitätseingeschränkt, das heißt, sie sitzen im Rollstuhl, sie sind bettlägerig, die können nicht mehr aus ihrem Haus oder ihrer Wohnung raus. Für die ist die Möglichkeit, bei einer Versandapotheke bestellen zu können, eine wichtige Option. Und dann gibt es die Generation meiner Kinder oder eure Generation. Viele von euch wollen alles auf dem Smartphone erledigen. Das heißt, ihr habt gar keine Lust mehr, euch aufs Fahrrad oder ins Auto zu setzen und zur Apotheke zu fahren. Ihr macht das auf dem Smartphone und am Ende – und das ist das Wichtigste – erhaltet ihr die bestellte Ware. Aber ich sag auch nochmal: Die Vor-Ort-Apotheke wird auch in der Zukunft eine ganz wichtige Rolle spielen. Wir sind lediglich eine Ergänzung. Es gibt aber noch zwei Gründe. Schätzt mal, wie viele Produkte die Prümer Apotheken vorrätig haben? Ich schätze jetzt mal ein paar tausend. Wir haben alleine für Deutschland über 80.000 Produkte. Das heißt, bei uns findet ihr alles. Das kann eine Vor-Ort-Apotheke nicht leisten. Und dann gibt es noch einen ganz wichtigen Aspekt: Die Produkte sind in der Regel bei den Versandapotheken deutlich günstiger als in den Vor-Ort-Apotheken.
Wird es in 20 Jahren noch Vor-Ort-Apotheken geben?
Ja, auf jeden Fall. Also, wir als Shop-Apotheke arbeiten in den großen Städten auch mit Apotheken vor Ort zusammen. Das Zusammenspiel zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken wird es in der Zukunft noch viel mehr als heute geben.
Wie sicher sind meine Daten bei der Shop-Apotheke?
Wir müssen natürlich alle Vorgaben des Datenschutzes beachten und ich kann euch versichern, da gibt es genügend Leute, die ganz genau aufpassen, was bei uns mit den Daten passiert. Wenn die einen Verdacht haben, dass irgendwo etwas nicht richtig läuft, dann werden wir sofort von denen verklagt.
Was sind die wichtigsten Voraussetzungen, die ihre Mitarbeiter/-innen mitbringen müssen?
Das hängt von der Position ab, für die du dich bewirbst, aber das Tolle bei so einem Unternehmen wie der Shop-Apotheke ist, dass wir noch ein relativ junges Unternehmen sind. Du kannst da sehr viel mitgestalten. Die Bereitschaft gestalten zu wollen ist die wichtigste Fähigkeit, die wir von neuen Mitarbeiter/-innen erwarten.
Welche Aufgabe hat die Schule hierbei?
Die Schule bereitet neue Generationen auch auf die Arbeit vor. Das heißt, wesentliche Grundkenntnisse müssen in den Schulen vermittelt werden, wie beispielsweise das traditionelle Rechnen und Schreiben. Aber da kommen natürlich auch noch die sogenannten Softskills wie z. B. Zusammenarbeit und Kommunikation dazu. Das sind alles Fähigkeiten, die ganz wichtig sind. Ganz wichtig sind auch Englischkenntnisse, da die Shop-Apotheke immer mehr international wird und wenn man dann in den entsprechenden Bereichen kein Englisch spricht, wird man es bei der Shop-Apotheke sehr schwer haben.
Aus welchen Ländern kommen die Produkte der Shop-Apotheke?
Die kommen aus vielen Ländern. Wir kaufen die von Firmen in Deutschland oder von Firmen in den anderen Ländern, in denen wir heute aktiv sind. Aber es gibt ja auch internationale Firmen wie Bayer oder Ratiopharm, die überall auf der Welt Fabriken haben. Da können Produkte auch mal über China und Indien bis nach Deutschland geliefert werden. Es gibt aber auch Produkte, die werden komplett in Deutschland produziert, aber das lässt sich nicht auf ein Land beschränken. Der Schwerpunkt ist aber Europa und Asien.
Können Sie als Online-Apotheke bei Lieferengpässen schneller knappe Medikamente besorgen als Vor-Ort-Apotheken?
In der Regel nicht, nein.
Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview! Wir bedanken uns bei Ihnen, dass Sie sich Zeit genommen haben, um unsere Fragen zu beantworten, und uns viele interessante Informationen gegeben haben.
Das Interview führten Gianluca und Klementa aus der 9a
Foto: Das Foto wurde dem IGEL von Stefan Feltens zur Verfügung gestellt
(„(…) ich erteile euch hiermit ausdrücklich die Genehmigung zur einmaligen Nutzung.”)