IGEL-History: Todesanzeige nach einem Bombenangriff der Alliierten aus dem Jahr 1944 auf die Eifelorte Speicher, Bausendorf und Zemmer

Bei den Toten han­delt es sich um Ver­wand­te mei­ner Fami­lie müt­ter­li­cher­seits. Die zwölf­jäh­ri­ge Sig­lin­de Lud­wig war eine Cou­si­ne mei­ner Mut­ter. Mei­ne Mut­ter (Jahr­gang 1937) ist eine gebo­re­ne „Lud­wig”. Der Poli­zei­meis­ter Hans Lud­wig, Vater der getö­te­ten Sig­lin­de, war ein Bru­der mei­nes Groß­va­ters müt­ter­li­cher­seits und damit der Onkel mei­ner Mut­ter und mein Großonkel.

Die Berich­te mei­ner Mut­ter über die mit­er­leb­ten Bom­ben­an­grif­fe aus die­ser Zeit pas­sen exakt zu den Fern­seh­bil­dern, die wir heu­te in regel­mä­ßi­gen Abstän­den aus der Ukrai­ne sehen. Lei­der leben in Deutsch­land immer weni­ger Zeit­zeu­gen von Krieg und Zer­stö­rung, die das Leid von Bom­ben- und Rake­ten­an­grif­fen aktiv mit­er­lebt haben und des­halb die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen aus ers­ter Hand über die Schre­cken des Krie­ges infor­mie­ren kön­nen. Durch die plas­ti­sche Schil­de­rung des Erleb­ten erhal­ten Zeit­zeu­gen­be­rich­te grund­sätz­lich eine ande­re Qua­li­tät, weil hier Infor­ma­tio­nen mit Emo­tio­nen ver­bun­den wer­den. Dadurch wer­den die beschrie­be­nen Erleb­nis­se im Lang­zeit­ge­dächt­nis der Zuhö­rer abge­spei­chert und kön­nen von dort aus die Ein­stel­lung zum The­ma Krieg, Gewalt und Zer­stö­rung in Rich­tung Wert­schät­zung von Frie­den und Frei­heit posi­tiv beeinflussen. 

Die Tat­sa­che, dass nur noch weni­ge Poli­ti­ker, wie bei­spiels­wei­se der ehe­ma­li­ge Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Ger­hard Baum (Jahr­gang 1932) oder der ehe­ma­li­ge Bun­des­bil­dungs­mi­nis­ter Klaus von Dohn­anyi (Jahr­gang 1928) als Zeit­zeu­gen ent­spre­chen­de Auf­klä­rungs­ar­beit über den 2. Welt­krie­ges leis­ten kön­nen, hat sich in den letz­ten Jah­ren auch auf sicher­heits­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen ausgewirkt.

So wäre ver­mut­lich unter den Bun­des­kanz­lern Hel­mut Schmidt (Jahr­gang 1918) und Hel­mut Kohl (Jahr­gang 1930) die Zahl der Bun­des­wehr­sol­da­ten nicht von 600000 kurz nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung auf aktu­ell 180.000 redu­ziert worden.

Vor dem Hin­ter­grund des Ukrai­ne-Kriegs steckt in der Redu­zie­rung der Trup­pen­stär­ke seit 1990 ein erheb­li­ches Sicher­heits­ri­si­ko für Deutsch­land. Wir kön­nen nur hof­fen, dass bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len in den USA im nächs­ten Jahr Joe Biden im Amt bestä­tigt wird. Falls Donald Trump die Wahl gewin­nen soll­te, wäre Euro­pa gezwun­gen mas­siv auf­zu­rüs­ten, um das Abschre­ckungs­po­ten­zi­al gegen­über Russ­land auf­recht zu erhal­ten und damit den Frie­den zu sichern.

Am 18.1.24 erscheint auf Welt online der fol­gen­de Arti­kel zu die­ser Thematik:

Josch­ka Fischer hält „mas­si­ve Auf­rüs­tung“ für nötig (msn.com)

Die Tat­sa­che, dass ein hoch­ran­gi­ger grü­ner Ex-Außen­mi­nis­ter so eine Erkennt­nis gewinnt und der SPD-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Pis­to­ri­us von der not­wen­di­gen „Kriegs­tüch­tig­keit” des Deut­schen Vol­kes spricht, zeigt den Ernst der Lage.

Text und Foto: Tho­mas Lauxen

17 Antworten auf „IGEL-History: Todesanzeige nach einem Bombenangriff der Alliierten aus dem Jahr 1944 auf die Eifelorte Speicher, Bausendorf und Zemmer“

  1. Kaum ein The­ma (außer der Liebe)
    ist in der Lite­ra­tur so prä­sent, wie Krieg und Frieden.

    „Drüng hat­te immer gefro­ren, auch im Som­mer, denn er war blut­arm, arm überhaupt,
    Sohn einer Wit­we, deren Mann im Krieg gefal­len war.

    Damals war er zehn Jah­re alt und er war immer so geblieben,
    frie­rend, blut­arm, arm uber­haupt, Sohn einer Wit­we, deren Mann im Welt­krieg gefal­len war”.
    /Heinrich Böll, „Wie­der­se­hen mit Drüng”/

  2. Neben der Lie­be ist Krieg
    eines der wich­tigs­ten The­men in der Literatur.

    Deut­scher Sol­dat Hein­rich Böll in der Stadt am Schwar­zen Meer;
    Wor­te, geprägt vom libe­ra­len Geist:

    „Wir san­gen und war­te­ten auf die Gele­gen­heit, über die Mau­er zu gehen… Wir muss­ten zur Stra­fe die gro­ßen hei­ßen Kaffeekannen
    schlep­pen und Bro­te abla­den. Und dabei stand in einem wun­der­ba­ren Pelz­man­tel ein Zahl­meis­ter und zähl­te, damit kein Brot platt­ge­schla­gen wurde.
    Wir woll­ten nicht ster­ben, wir woll­ten nicht auf die Krim,
    aber wir woll­ten auch nicht in die­ser schmut­zi­gen Kaser­ne hocken, wo sie immer Brote
    ablu­den, die für die Front bestimmt waren
    und wo immer Zahl­meis­ter dabei stan­den und zählten,
    damit kein Brot platt­ge­schla­gen wurde”.
    /Heinroch Böll, „Damals in Odessa”/

  3. _ Groß­müt­ter­chen, sag uns ein paar schö­ne Ver­se auf.

    „Ich glau­be an eine wahr­haf­ti­ge Vereinigung
    des Mor­gen­lan­des und
    des Abendlandes”
    /Rabindranath Tago­re, Indi­scher Dich­ter, 1861_ 1941/

  4. 1942. Mit den Deut­schen kamen Rumä­nen, Italiener.
    Wer konn­te wis­sen, wo sie jetzt standen.
    Nur aus den Deut­schen Hee­res­be­rich­ten und den Gesprächen
    Deut­scher Sol­da­ten ließ sich erra­ten, wo, in wel­chem Abschnitt
    der Sohn, der Vater oder Bru­der kämpf­te, oder gar schon sein Leben für die Hei­mat gelas­sen hatte.

  5. Bericht aus Krassnodon:

    1942. Unse­re Schu­le stand leer und war ver­schlos­sen. Ich sah
    Türen mit Auf­schrif­ten: „Leh­rer­zim­mer”, „Direk­tor”, „Phy­sik­saal”, „Che­mieh­sal”, „Biblio­thek”. Aus die­sen lee­ren Klassenzimmern
    mit ihren ver­las­se­nen Bän­ken weh­te auf ein­mal ein Hauch der Welt ent­ge­gen, in der ich auf­ge­wach­sen war. Einst war mir die­se Welt all­täg­lich, sogar lang­wei­lig erschienen.
    Wo waren jetzt die Leh­rer und Schüler,
    wohin hat­te das Schick­sal sie verweht? 

    Bericht aus Köln:

    „Die Töten hier­hin, und die ande­ren die Trep­pe hin­auf in den Zeichensaal.”
    Ich war noch nicht tot, ich gehör­te zu den ande­ren, und sie tru­gen mich die Trep­pe hin­auf. Da waren Türen mit Schil­dern: 6a und 6b.
    Dann kamen die Türen mit 5a und 5b.

    Nun wur­de die Tür zum Zei­chen­saal auf­ge­ris­sen. Hier habe ich acht Jah­re lang Vasen gezeich­net und Schrift­zei­chen geübt.
    Schrif­ten aller Art, Rund­schrift, Anti­qua, Römisch.
    Hier hat­te ich stun­den­lang die Lan­ge­wei­le gefressen
    und nie­mals hat­te ich Vasen zei­chenen kön­nen oder Schrift­zei­chen malen.

    Es könn­te doch nicht sein,
    dass ich vor drei Mona­ten noch hier geges­sen, Vasen gezeich­net und Schrif­ten gemalt hat­te, dass ich in den Pau­sen her­un­ter­ge­gan­gen war mit mei­nem Mar­me­la­den­but­ter­brot zum Haus­mais­ter, zu Bir­ge­l­er, um Milch zu trin­ken, Milch in die­sem klei­nen Stübchen.

    Sicher tru­gen sie den, der neben mir gele­gen hat­te, unten hin, wo die Toten lagen. Viel­leicht lagen die Töten in Bir­gel­ers klei­nen Stüb­chen, wo es nach war­mer Milch roch.

    Der Feu­er­wehr­mann stend vor der Tafel und lächelte
    mich an. Er lächel­te müde und trau­rig. An sei­ner Schul­ter vor­bei, auf der schmie­ri­gen Rück­sei­te der Tafel sah ich etwas , was mein Herz spü­ren machte:
    Da war mei­ne Hand­schrift an der Tafel. Da stand er noch,
    der Spruch, den wir damals haten schrei­ben müssen:
    Wan­de­rer, komst du nach Spa…
    Die Tafel war zu kurz gewe­sen, und der Zei­chen­leh­rer hat­te geschimpft, dass ich nicht rich­tig ein­ge­teilt hatte,
    die Schrift zu groß gewählt
    und er hat­te es kopf­schüt­telnd in der glei­chen Grö­ße daruntergeschrieben:
    Wan­de­rer, kommst du nach Spa…
    Sie­ben­mal stand er da: in mei­ner Schrift, in Anti­qua, Römisch und rund­schrift, sie­ben­mal deut­lich und unerbittlich:
    Wan­de­rer, kommst di nach Spa…

    /nach Hein­rich Böll, Wan­de­rer, kommst du nach Spa/

  6. Onkel hat Lite­ra­tur stu­diert, ver­steht wenn deutsch gere­det wird.

    „Wo ist hier ein Wasch­tisch?” Der Deut­sche hat­te eine Sei­fen­do­se in der Hand und ein Hand­tuch über der Schulter.

    „Wir haben kei­nen Wasch­tisch” sag­te ser Onkel, „wir gie­ßen uns im Hof aus eimen Krug Was­ser über die Hände.”

    „Und im Win­ter?” _ frag­te er.

  7. 1941. Unser Gebiet wur­de von Deut­schen besetzt. Nie­mand wuss­te, wie sich das Leben dei den Deut­schen gestal­tet wur­de, wie sie wirt­schaf­ten und regieren.

  8. 1942. Was wür­dest du tun, lie­ber Leser,
    wenn du noch klein wärest, bar­fuß lie­fest, die Bei­ne zerkratzt
    hättest?

    „Ich möch­te wis­sen, in wel­chen Ver­hält­nis­sen der Jun­ge aufwächst.
    Ich möch­te end­lich ein­mal her­aus­fin­den, wes­halb er sich so benimmt”, sagt der Leh­rer. Aus sei­ner Stim­me klingtder Vorwurf
    gegen mei­ne Eltern. Die Mut­ter weiß ncht, wohin sie ihre Hän­de ste­cken soll. Der Vater schweigt und ver­sucht vor dem Leh­rer, auf sei­ne Krü­cke gestützt, aufzustehen.
    Und erst jetzt bemerk­te ich, dass die Eltern schon lan­ge kei­ne Fei­er­tags­klei­der haben. Lan­ge schon essen nicht mehr
    mit den Kin­dern zusam­men am Tisch,
    son­dern abseits, dass man nicht sieht, was sie essen,
    denn sie neh­men für sich nichts, als
    Schwarz­brot, Kar­tof­feln und Buchweizengrütze.

    Nach die­sem Tag zeig­te sich plötz­lich, ich bin erwach­se­ner geworden.

  9. _ Groß­müt­ter­chen, erzähl was vom Krieg.

    _ Die Men­schen ver­ga­ßen ihr Fami­li­en­le­ben. Sie leb­ten, aßen, schlie­fen nicht in hren Woh­nun­gen, son­dern in den Räumen
    der Behör­de und Betriebe.
    Ich hat­te den Wunsch zu ler­nen, wei­ter­zu­ler­nen. Der Krieg könn­te ja nicht ewig dau­ern, bald muss­te er ein Ende haben.
    Dann wür­de man leben, wür­de arbei­ten müssen,
    und wie not­wen­dig wären die Men­schen, die etwas gelernt hatten.

  10. Im Mai 1942 geriet ich in Gefan­gen­schaft. Jetzt hat mein letz­tes Stünd­lein geschla­gen, den­ke ich. In der Nacht reg­ne­te es in Strömen.

    Der Deut­sche über­wacht mich.
    _ „ Bist du ver­wun­det?” _ sag­te er.
    _ War­um willst du das wissen?
    _ Ich bin der Arzt, viel­leicht kann ich dir helfen.
    Ich kla­ge über mei­ne lin­ke Schulter.
    Er beginnt mit sei­nen dün­nen Fin­gern die Schul­ter abzu­tas­ten. Ich höre, wie er lei­se sagt: „ Dein Arm ist nicht gebro­chen, er war nur aus­ge­renkt und ich habe ihn wie­der ein­ge­renkt. Na, wie fühlst du dich jetzt? Ist dir leichter?”

    Er geht in der Dun­kel­heit wei­ter und fragt halblaut:
    „Wer ist verwundet?”

  11. Heu­te ist ers­ter wirk­lich war­me Tag nach dem Win­ter bei uns in Russland.
    Ich schaue auf mei­ne alte Sol­da­ten­pe­lz­müt­ze. 1941 bau­te ich
    (in der Nähe einer Flug­zeugfga­brik) ein Häus­chen mit zwei Stu­ben, einer Vor­rats­kam­mer, einem klei­nen Flur.
    Mei­ne Frau kauf­te zwei Zie­gen. Was braucht der Mensch noch?

    Und dann _ über Nacht der Krieg! Am zwei­ten Tag Gestel­lungs­be­fehl, am drit­ten Tag _ Abtrans­port mit der Bahn.
    Drei Kind­rer haben mich zum Bahn­hof beglei­tet: Nad­ja, Olga, Anatoli.
    Der Zug fährt schon, ganz lang­sam fährt er. Ich muss an den Mei­nen vor­bei. Mei­ne Kin­der win­ken zu mir,
    ver­su­chen zu lächeln, aber es gelingt ihnen nicht.

  12. Schmerz­punk­te des Krie­ges in ver­schie­de­nen Tei­len der Welt

    Fried­hof Nai­man- Ana in Kirgisistan
    (Die Geschich­te eines Krie­ges, als die Mon­go­len in Kir­gi­si­stan grau­sa­me Form von Bar­be­rei her­vor­ge­bracht haben)

    Die Juan-Juan (Noma­di­sier­te Mon­go­len), nach­dem sie die Step­pe erobert hat­ten, behan­del­ten die Gefan­ge­nen des Krie­ges äußerst grau­sam. Sie steck­ten den Kopf ihres Opfers in einen Schiri.
    Zuerst schor man ihnen die Schä­del kahl, schab­te sorg­sam jedes Här­chen­an der Wur­zel ab. Dann töte­te Juan-Juan ein Kamel.
    Die schni­ten Kamel­haut in Stü­cke, stülp­ten sie noch feucht-warm über den gecho­re­nen Schä­del der Gefan­ge­nen _etwa so wie heu­ti­ge Bade­kap­pen _Das hieß _einen Schi­ri anlegen. 

    In die­sem Zustand brach­te man sie an einen möglichst
    ent­le­ge­nen Ort, wo ihre herz­rei­ßen­den Schreie nicht zu hören waren und setz­te sie auf frei­em Feld aus, an Arme und Bei­ne gefäs­selt in glü­hen­der Son­ne, ohne Was­ser, ohne Nahrung.
    Die Föl­ter dau­er­te Tage und Nächte. 

    Wer nach solch ein Pro­ze­dur nicht unter Fol­ter quel­len starb, ver­lor all­zeit sein Gedächt­nis und wur­de zum Mank­urt, zu einem Sklaven,
    der sich nicht mehr an sei­ne Ver­gan­gen­heit erinnerte.
    Ein Mank­urt wuss­te nicht, wer er war,
    woher er stamm­te, er kann­te sei­nen Namen nicht,
    erin­ner­te sich nicht an die Kindheit,
    und nicht an Vater und Mutter,
    ein Mank­urt begriff sich selbst nicht
    als mensch­li­ches Wesen.
    Nie kam ihm der Gedan­ke der Flucht.
    Nur ein Mank­urt konn­te in völ­li­ger Ein­sam­keit Men­schen­lee­re der Step­pe ertragen.

    Für sich selbst ver­lang­te er nichts außer Essen und alte Lumpen,
    damit er nicht erfror in der Steppe.
    Schlimm genug ist es eiunem Gefan­ge­nen Scha­den zu fügen,
    schlim­mer ist ihm sein Gedächt­nis zu rauben. 

    Mank­urt ist nur die äuße­re Hülle,
    nur ein Popanz des frü­he­ren Menschen.

    Spä­ter ver­brei­te­te sich das Grücht, der und der sei von Juan-Juan
    zum Mank­urt gemacht worden.
    Dann such­ten nicht ein­mal die nächs­ten Ver­wand­ten ihm zu ret­ten, denn das hät­te nur gehei­ßen, einen Popanz des einstigen
    Men­schen zurüchkuholen.

    Kla­ge­lied der Mut­ter _ Naiman-Ana:
    „Als man dir, mein Kind, dein Gedächt­nis entriß,
    als dich auf der Step­pe Durst quellte
    und kein Trop­fen vom Him­mel fiel,
    als du brüll­test Gott anfleh­test Tag und Nacht,
    als du Hil­fe erhoff­test von einem unbe­weg­ten Himmel,
    Hast du da nicht Gott verflucht,
    der uns alle gesachaf­fen hat
    in die­ser von ihm selbst ver­las­sen­mem Welt?

    Als du den Blick der­ner Muter vergaßest,
    als du dei­nen Namen und den Namen dei­nes Vaters ver­lo­ren hast,
    hast du da nicht dei­ne Mut­ter verflucht,
    weil sie es einst gewagt hat
    dich auf die Welt zu set­zen für ein sol­chen Tag”

    Nai­man-Ana geht sein Kind suchen. Sie ver­ließ ihre ein­sa­me Jur­te. Was­ser nahm sie reich­lich mit, in zwei Schläuchen
    führ­te sie es mit für den Fall, dass die Brun­nen in der Step­pe nicht sogleich ent­deck­te. Nai­man-Ana hat­te einen gro­ßen Weg zurück­ge­legt zu einer Stadt mit Moscheen und Festungsmauern.
    Viel­leicht war ihr Sohn dort auf einem Sklavenmarkt?

    Plötz­lich erblick­te Nai­man-Ana Kamelherde.
    Da wei­det sie, die Her­de, doch wo ist der Hirt?
    Von fern erkann­te sie nicht, wer er war.

    Das Erschei­nen der Mut­ter mach­te auf ihn nicht den
    gerings­ten Ein­druck. Er frag­te nicht ein­mal, wer sie sei und war­um sie weinte.

    „Wie heißt dein Vater? Und wer bist du selbst, woher stammst du? Wo bist du geboren?
    Er erin­ner­te sich an nichts.
    „Erin­nerst du dich nicht an den Vater, Er hat dich doch schon als klei­nes Kind gelehrt, mit Pfeil und Bogen umzugehen.”
    Dann gab sie ihm zu Essen und Trin­ken und sang ihm Wie­gen­lie­der. Die­se Lie­der gefie­len ihm sehr.

    „Sie ist nicht dei­ne Mut­ter”- Sag­ten Juan-Juan, „ Weißt du , war­um sie gekom­men ist, sie will dir dei­ne Müt­ze herunterreißen
    und dei­nen Kopf ver­brü­hen. Nun kei­ne Ban­ge! Der Juan-Juan rich­te­te ihm Bogen und Pfeile.

    Der Pfeil drang Nai­man-Ana unterm Arm in die lin­ke Seite.
    Nai­man-Ana sank lang­sam zur Erde. Doch zuerst fiel ihr das wei­ße Tuch vom Kopf, ver­wan­del­te sich in der Luft in einen
    Vogel und flog.
    /Quelle: Tschin­gis Ait­ma­tov, Ein Tag län­ger als ein Leben”

  13. Die Gegend hier ist schwie­rig _ weit und breit nur Steppe.

    Eine nach dem ande­ren heul­ten die Liko­mo­ti­ve, for­der­ten freie fahrt… und kein Ende war abzu­se­hen. Woher nah­men sie nur die­ses zahl­lo­se Men­schen­heer, Zug um Zug jag­te an die Front, Tag und Nacht und das wochen­lang, mona­te­lang, jahrelang.

    Alle nach Front _ dort­hin, wo Wel­ten gegen­ein­an­der kämpften
    um Leben und Tod.
    /Quelle: Tschin­gis Eit­ma­tov, „Ein Tag län­ger als ein Leben”/

  14. 1944. Män­ner gab es über­haupt kei­ne, als hat­te sie der Krieg
    hinausgefegt.
    Was ich spä­ter auf den Bahn­hö­fen sah, berei­te­te mir tie­fes Leid.
    Bein­lo­se, arm­lo­se Men­schen in schä­bi­gen Uni­form­män­teln und aller­lei Lumpen.

  15. Opa war Ende vier­und­vier­zig aus der Armee ent­las­sen wor­den. Vor dem Front­ein­satz war er Fischer gewe­sen. Und was blieb ihm jetzt?
    Er war zu nichts nütze.

  16. „Dani­lo, erzähl uns was vom Krieg, bevor wir schla­fen gehen”, _ sag­ten wir zu Opa.
    „Vom Krieg sagst du? Nein, es ist bes­ser, ihr wisst nichts vom Krieg”.

  17. Lie­be IGEL-Redaktion,
    jedes mal berührt mich schmerz­haft so etwas, wie „Mas­si­ve Aus­rüs­tung gegeneinander”.
    Wer liebt nicht sei­ne Hei­mat, sein Volk?
    „Wozu Krieg, anstatt ein­an­der zu lieben?”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert