Flucht in ein Leben ohne Krieg

Wir waren neu­gie­rig, mehr über den soge­nann­ten Migra­ti­ons­hin­ter­grund unse­rer Schü­le­rin­nen und Schü­ler an der KLR+ her­aus­zu­fin­den. Fami­lie Alk­ha­tib, deren zwei älte­re Kin­der seit ein­ein­halb Jah­ren unse­re Schu­le besu­chen und echt tur­bo­schnell deutsch gelernt haben, lud uns spon­tan zu sich nach Hau­se ein. In einer klei­nen, aber gemüt­li­chen Woh­nung mit­ten in Prüm durf­ten wir die sprich­wört­li­che ara­bi­sche Gast­freund­schaft genie­ßen und muss­ten unse­re Fra­gen mit vol­lem Mund stel­len, weil es so viel Lecke­res gab, dass der Tisch sich fast bog.

Die Fami­lie vorgestellt

Manal – die Mut­ter, zur­zeit besucht sie den B1-Sprach-Kurs für Erwach­se­ne in Prüm.
Moha­med – der Vater
Obai­da – 16, Berufs­wunsch Infor­ma­ti­ker (der Name Obai­da ist eine Ver­nied­li­chung des Namens Abdul­lah), Obai­da ist Schü­ler unse­rer Klas­se 9d mit Frau Jes­si­ca San­der als Klassenlehrerin
Yum­na – 11, Berufs­wunsch Leh­re­rin oder Ärz­tin, der Name bedeu­tet „gut machen“, „gute Wün­sche“, Yum­na besucht bei uns die Klas­se 6a, ihre Klas­sen­leh­re­rin ist Frau Moni­ka Gerigk
Ees­sa – 10, Berufs­wunsch Elek­tro-Inge­nieur, der Name heißt über­setzt „Jesus“, Ees­sa besucht am Regi­no-Gym­na­si­um die fünf­te Klasse
Ham­za – 8, Berufs­wunsch Arzt, der Name heißt über­setzt „Löwe“, er geht in die zwei­te Klas­se an der Bertrada-Grundschule

Die Flucht

Seit 22 Mona­ten leben die Alk­ha­tibs nun in Deutsch­land, im Juli 2016 waren sie nach einer aben­teu­er­li­chen Rei­se in Luxem­burg ange­kom­men. Aus Syri­en waren sie nachts geflo­hen, sind durch Wäl­der zu Fuß gewan­dert, über die Tür­kei (zu Fuß und mit dem Bus), Grie­chen­land (mit einem Boot, das mehr­mals zu ken­tern droh­te), Maze­do­ni­en, Koso­vo, Ser­bi­en, Ungarn, Öster­reich, Deutsch­land schließ­lich nach Luxem­burg, ihrem vor­läu­fi­gen Ziel gelangt.
Alles in allem dau­er­te die Flucht über einen Monat, den die Fami­lie zum gro­ßen Teil ohne Schlaf, mit wenig Essen und Trin­ken und oft in bit­te­rer Käl­te verbrachte.

Die Fami­lie stammt aus Paläs­ti­na, wel­ches als Land nicht aner­kannt ist. Die Alk­ha­tibs sind daher staa­ten­los, sie leb­ten immer schon in Syri­en und hat­ten dort ihre Arbeit, in Damas­kus sind auch alle vier Kin­der gebo­ren. In Syri­en jedoch haben sie als Paläs­ti­nen­ser kei­ner­lei Rech­te. Der Vater arbei­te­te als Mathe­ma­tik­leh­rer, die Mut­ter war Apothekerin.

Zunächst war die Fami­lie in Trier in der Das­bach­stra­ße in einem gro­ßen Camp auf sehr engem Raum unter­ge­bracht, vie­le Flücht­lin­ge rede­ten dort immer­zu von „Ger­ma­ny“, was Manal, der Mut­ter, als eng­li­sches Wort für Deutsch­land nicht geläu­fig war. Und daher erst­ein­mal im Atlas von ihr gesucht wurde.

Dann kam die Zuwei­sung nach Prüm in eine klei­ne eige­ne Woh­nung. Da fehl­ten erst­mal die vie­len neu gewon­ne­nen Freun­de aus Trier und das tur­bu­len­te Leben im Auf­fang­la­ger mit den „Lei­dens­ge­nos­sen“, aber end­lich hat­te man einen eige­nen Platz als Fami­lie und war ein Stück weit mehr ange­kom­men in Deutschland.

Prüm ist natür­lich mit­ten in der wun­der­schö­nen Eifel und doch recht weit weg von ara­bi­scher Kul­tur. Um in die Moschee zu gehen, muss man frei­tags nach Bit­burg fah­ren. Auch ara­bi­sche Zuta­ten (Kicher­erb­sen, fri­sches Bak­dounis etc.) gibt es bei klei­nen Händ­lern in Bitburg.

Wir haben die Alk­ha­tibs nach ihrem ara­bi­schen Lieb­lings­ku­chen gefragt, hier kommt das Rezept für Euch:

Ara­bi­scher Schokokuchen

¾ Glas Milch
1 Glas Öl
3 Eier
2 Glä­ser Mehl
3 Löf­fel Kakaopulver
1,5 Glä­ser Zucker
1 Löf­fel Backpulver
1 Packung Vanillezucker

Dar­aus bei 180°C 20 min auf dem gefet­te­ten Back­blech einen Boden backen und die­sen drei Mal quer durch­schnei­den, eine Fül­lung aus gezu­cker­ter Sah­ne und Bana­nen her­stel­len und die Böden abwech­selnd mit der Crem zu einem hohen Kuchen schich­ten. Eine Scho­ko­gla­sur aus 1 Glas Teig­re­zept ohne Mehl und Back­pul­ver her­stel­len. Guten Appetit!

Was ist anders?

Bei die­ser Fra­ge fiel allen Fami­li­en­mit­glie­dern viel ein, vor­ab sag­te Manal aber, dass sie unheim­lich froh sei­en, in einem frei­en und siche­ren Land leben zu dür­fen und dass sie Deutsch­land sehr lieben.

Unge­wöhn­lich für Mus­li­me ist, dass in Deutsch­land Schwei­ne­fleisch geges­sen wird und man bei den Zuta­ten gut Acht geben muss, z.B. bei Gum­mi­bär­chen. Auch sei in Prüm die Ver­kehrs­an­bin­dung manch­mal schwie­rig, in Damas­kus fuh­ren zu jeder Zeit Bus­se mit zwölf bis 20 Plät­zen. Der Bus bringt die Men­schen dort bis an das eige­ne Haus und alle paar Minu­ten fährt ein Bus, so dass man sich ein­fach an die Stra­ße stel­len kann, ohne vor­her groß den Fahr­plan zu stu­die­ren. Ihnen fällt auf, dass in Prüm viel weni­ger Men­schen auf der Stra­ße sind, die Nach­bar­schaft wird, soweit sie das emp­fin­den, in Syri­en weit­aus mehr gepflegt, es fin­det viel mehr Aus­tausch auf der Stra­ße statt und es sind am Tage immer alle Kin­der auf der Stra­ße zum gemein­sa­men Spielen.
Dafür war in Damas­kus aber stän­dig der Strom weg, denn seit sie­ben Jah­ren herrscht dort ja Krieg. Schu­le funk­tio­nier­te so gut wie gar nicht mehr, Män­ner wur­den von der Stra­ße weg ent­führt, so gesche­hen mit Obai­das und Ham­zas Onkel, der ein­fach so einen Monat „ver­schwand“, gefol­tert wur­de und dann glück­li­cher­wei­se wie­der freikam.
Die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung wie­der­um klapp­te bis zu ihrer Flucht noch ganz gut (das wis­sen wir inzwi­schen aus den Medi­en, dass dem nicht mehr so ist). Inter­net und Fern­se­hen waren in Syri­en kos­ten­los und über­all gab es frei­es WLAN, eben­so waren Tablets oder Smart­phones viel bil­li­ger als bei uns. Auch die Steu­ern waren nied­rig. Aber was nüt­zen die­se Vor­tei­le, wenn Krieg ist im Land und man sei­nes Lebens nicht mehr sicher ist? In Damas­kus muss­ten die Alkat­abs immer öfter umzie­hen, bei einem Angriff, wur­de die Woh­nung zer­stört und man muss­te die nächs­te Blei­be suchen, ins­ge­samt vier Mal! Das Was­ser war tage­lang weg und Was­ser zu suchen war lebensgefährlich.

Fami­lie Alk­ha­tib hat ihre nähe­re Ver­wand­schaft in Syri­en, Luxem­burg, Schwe­den und Groß­bri­tan­ni­en und Deutsch­land wohnen.

An Deutsch­land liebt die Fami­lie die Ruhe, den Frie­den und die schö­ne Natur. Sie sind sehr dank­bar, heil bei uns ange­kom­men zu sein und hof­fen auf eine siche­re Zukunft. Dass der Krieg in Syri­en bald zuen­de sein könn­te, glau­ben sie nicht.

Wir sind sehr froh, dass die Alk­ha­tibs nun in Frie­den und Sicher­heit bei uns leben kön­nen. Vie­le Flücht­lin­ge haben nicht die­ses Glück. Bei unse­ren Recher­chen sind wir auf fol­gen­den Doku­men­tar­film der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung gesto­ßen, in dem Flücht­lings­kin­der, die in Camps ihr Dasein fris­ten, über ihre trau­ma­ti­schen Erleb­nis­se und die Aus­weg­lo­sig­keit ihrer Schick­sa­le berich­ten. Den Film anzu­schau­en lohnt sich!!!

der Film: Live on the border
„Ich möch­te, dass ihr mein Leben ken­nen­lernt.“ Kin­der und Jugend­li­che aus dem Irak und Syri­en laden die Zuschau­en­den mit ihrem Film auf unmit­tel­ba­re und ein­drucks­vol­le Wei­se dazu ein und hal­ten ihren All­tag in den Geflüch­te­ten­la­gern, ihre Ver­wun­dun­gen und Hoff­nun­gen aus ihrer Per­spek­ti­ve fest.

hier der Link: www.bpb.de/258675

Text und Bil­der: Anne Schmitz, 10b und Ali­na Engeln, 10a

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