Knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden jedes Jahr von Industrie, Handel, Großverbrauchern und Privathaushalten entsorgt – das sind 275.000 große Lastwagen. Jedes achte gekaufte Lebensmittel landet damit alleine in Deutschland auf dem Müll, zeigt eine Befragung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2017. Pro Person und Jahr waren das rund 82 Kilogramm. Ein Jahr später spricht Bundesernährungsministerin Julia Klöckner von noch 55 Kilogramm. Die Initiative „Zu gut für die Tonne!“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hilft dabei ebenso wie das Engagement der Tafel. Im Rahmen unserer Projekttage beschäftigten wir uns bereits mit dem Thema Müll und Müllvermeidung. Außerdem konnten wir einen Studenten in Trier anonym interviewen zum Thema „Containern”.
Jetzt gelang es uns, Frau von Hoegen, Regionalverkaufsleiterin bei ALDI SÜD in Wittlich, für ein Interview zum Thema Lebensmittelrettung zu gewinnen. IGEL: Frau von Hoegen, ALDI SÜD wirbt mit damit, ökologische und sozialer Nachhaltigkeitskriterien und Aspekte des Tierwohls zu berücksichtigen. Auch möchte ALDI SÜD den ökologischen Fußabdruck seiner unternehmerischen Tätigkeit minimieren.
ALDI: Wir achten in unseren Filialen immer darauf, so wenig Lebensmittel wie möglich wegzuwerfen. Lebensmittelreste haben wir aufgrund der hohen Umschlagshäufigkeit selten. Durch eine genaue Planung und die tägliche Bestellung, die vom Abverkauf abhängt, reduzieren wir die Lebensmittelreste auf ein Minimum.
IGEL: Im Hinblick auf Abfälle erklärt ALDI SÜD, auf das Prinzip „Vermeiden, wiederverwenden, recyceln“ zu setzen. Im CR-Bericht 2017 (ein aktuellerer liegt öffentlich nicht vor) betont ALDI SÜD, dass möglichst wenige seiner betrieblichen Abfälle verbrannt oder deponiert werden sollen. Lebensmittelabfälle versucht ALDI SÜD zu vermeiden, indem er Produkte kurz vor Ablauf von Mindesthaltbarkeitsdaten preisreduziert anbietet und Lebensmittel, die er nicht verkaufen konnte, an karitative Einrichtungen spendet, zur Tierfütterung oder für die Erzeugung von Biogas abgibt. Das klingt nach einer ganz wunderbar gestalteten Unternehmenspolitik. Das heißt, bei ALDI SÜD verrottet so gut wie nichts. Wohin gelangen in unserer Region denn konkret die dennoch übrig gebliebenen abgelaufenen Lebensmittel?
ALDI: Wir reduzieren die Artikel, welche kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, um 30 %. Der preisreduzierte Verkauf erfolgt durchgehend bis einschließlich des Tages, an dem das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. Auch ermäßigen wir die Preise von Obst und Gemüse, wenn diese einen bevorstehenden Verderb aufweisen. Produkte, die in unseren Filialen übrigbleiben, werden an soziale Einrichtungen vor Ort wie beispielsweise an die Tafel gegeben. Selbstverständlich halten wir hierbei alle gesetzlichen Vorschriften wie die Einhaltung der Kühlkette oder die Gewährleistung, nur zum Verzehr geeignete Lebensmittel abzugeben, vollständig ein.
IGEL: Wie stehen Sie zu dem Thema, dass abgelaufene Produkte, die auch reduziert nicht mehr verkauft werden konnten, verschenkt werden, zum Beispiel auf einem Regal am Ausgang jeder Filiale?
ALDI: Lebensmittel, die nicht mehr zum Verzehr geeignet sind, geben wir grundsätzlich nicht an soziale Einrichtungen weiter. Sie entsorgen wir fachgerecht. Eine anderweitige Weitergabe dieser Ware ist lebensmittelrechtlich grundsätzlich untersagt. Somit können wir abgelaufene Lebensmittel auch nicht an Kunden verschenken.
IGEL: Auch die Müllgebühren sind zu Beginn des neuen Jahres in unserer Region kräftig angehoben worden. Das erhöht die Bereitschaft vieler Menschen, sich aktiver mit dem Thema Müllvermeidung zu beschäftigen. Rechnen Sie damit, dass das Verbraucherverhalten in Richtung Vermeidung von Verpackungsmaterialien auch für Ihre Filialen Konsequenzen hat?
ALDI: Ja, dies macht sich bereits seit einiger Zeit im Kundenverhalten bemerkbar. Die Firma ALDI Süd beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit dem Thema Verpackungsmüll zu reduzieren. Seit 2017 hat ALDI SÜD flächendeckend loses Obst und Gemüse als Wiegeware im Angebot, sodass Kunden die Möglichkeit haben, genau die Mengen zu kaufen, die sie auch benötigen. Diese losen Obst- und Gemüseartikel nicht unverpackt. Auch mit der Einführung unserer „krummen Dinger“ – Obst und Gemüse der Klasse 2 – setzen wir ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung.
IGEL: Sind Sie privat eher der bewusste Unverpackt-Einkäufer oder eher der Durchschnittskonsument, der allmählich über das Angebot der Märkte lernt, auf Plastikverpackungen zu verzichten?
ALDI: Durch die Beschäftigung bei der Firma ALDI Süd setze ich mich tagtäglich mit dem Thema Nachhaltigkeit und Reduzierung von Lebensmittelabfällen und Verpackungsmüll auseinander. All diese Themen stehen im Fokus bei der Firma ALDI Süd. Dies färbt natürlich auf mein privates Verhalten als Konsumentin ab. Da ich in einem Zweipersonenhaushalt lebe, kaufe ich fast ausschließlich unverpackte Lebensmittel ein, sofern dies möglich ist. Das erlaubt mir, nur die Menge einzukaufen, die wir wirklich benötigen. Gleichzeitig schone ich so die Umwelt.
IGEL: Wer hat den Ball in der Hand, den Wegwerf- und den Verpackungswahnsinn zu stoppen, der Konsument, der Hersteller, der Vertreiber oder die Politik?
ALDI: Aus meiner Sicht liegt die Verantwortung bei allen Beteiligten. Jeder einzelne Konsument kann seinen Teil beitragen, indem man mehr darauf achtet, nur die Mengen einzukaufen, die wirklich verzehrt werden und möglichst auf unverpackte Ware zurückzugreifen. Die Hersteller und Vertreiber müssen selbstverständlich entsprechende Ware auch anbieten und weiterhin daran arbeiten, Plastikverpackungen zu reduzieren. Die Politik sollte dies unterstützen. Die Firma ALDI Süd animiert Kunden, die Lebensmittelentsorgung zu reduzieren: Seit gut einem Jahr testet die Unternehmensgruppe ALDI SÜD in 400 bayerischen Filialen mit dem Aufdruck „Riech mich! Probier mich! Ich bin häufig länger gut!“ einen Erklärungshinweis zum Mindesthaltbarkeitsdatum auf Frischmilch-Verpackungen. Damit möchte ALDI SÜD den Verbraucher dazu animieren, die Genusstauglichkeit der Milch zuerst zu überprüfen, bevor er sie bei Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums wegschüttet. Da dieser Hinweis nachweislich zu einer Sensibilisierung der Verbraucher beigetragen hat, weiten wir diesen auf das ganze ALDI SÜD Gebiet aus und kennzeichnen darüber hinaus verschiedene Käsesorten mit dem Hinweis. Unsere Pressemitteilung zu diesem Thema finden Sie in unserem Presseportal.
IGEL: Nach unserer Recherche ist bei ALDI SÜD in keiner Filiale an die Müllcontainer heranzukommen, um dort zu „containern“. Die Filialen, die wir kennen, sind alle so konzipiert, dass dieser Bereich hermetisch abgeriegelt ist. Das ist bei anderen Ketten (Edeka, LIDL…) anders, wo das „Lebensmittelretten“ nicht aktiv verhindert wird. Hat man Angst, dass das, was dort zu finden ist, doch der Haus- und Hofberichterstattung des CR-Berichts widerspricht?
ALDI: Lebensmittel, die nicht mehr zum Verzehr geeignet sind, dürfen nicht an Konsumenten oder soziale Einrichtungen abgeben werden. Auch eine indirekte Weitergabe ist lebensmittelrechtlich untersagt. Aus diesem Grund ist die Entnahme von Lebensmitteln aus unseren Abfallcontainern rechtswidrig und wird von der Unternehmensgruppe ALDI SÜD auch nicht geduldet. Wir sind in diesem Zusammenhang zudem darum bemüht, dass die Müllbehälter an unseren Filialen lediglich für unsere Mitarbeiter zugänglich sind, um somit unbefugter Warenentnahme vorzubeugen.
IGEL: ALDI SÜD möchte nicht, dass Menschen Waren aus ihren Containern nehmen. Fast alle Filialen kooperieren mit sozialen Einrichtungen, heißt es. Diese verteilen die Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, sagt ALDI SÜD-Sprecher Tobias Neuhaus. Containern sei rechtswidrig und werde nicht geduldet. Könnten Sie diese Aussage bitte untermauern, indem Sie unseren Leser*innen mitteilen, welches in Prüm diese sozialen Einrichtungen sind?
ALDI: Wir kooperieren mit den Tafeln aus Prüm und Bitburg. So können wir mehrmals die Woche Lebensmittelreste abgeben und die Abfälle der Filiale minimieren.
IGEL: Herzlichen Dank, dass Sie unsere Fragen beantwortet haben, Frau von Hoegen! Besonders hervorheben möchten wir, dass von allen schriftlichen Interview-Anfragen an Prümer Märkte nur ALDI sofort geantwortet hat und sich individuell Zeit für unsere Fragen nahm. An allen anderen Märkten bleiben wir natürlich für Euch dran!
Die Interviewfragen ersann Julian Inselberger, 10b
Foto Frau von Hoegen und Aldi-Logo: Johanna von Hoegen