Liebe IGEL-Leser.
Aus aktuellem Anlass – Tag der Deutschen Einheit – veröffentlichen wir heute für euch den interessanten Zeitzeugenbericht mit Fotos (Erstveröffentlichung im IGEL am 17.11.2019) von Thomas Lauxen:
Vom 29.10. bis 10.11.1989 hatte ich das aus heutiger Sicht historische Glück ein Betriebspraktikum in der Landesgeschäftsstelle Berlin der Debeka-Krankenversicherung absolvieren zu dürfen.
Weiterhin hatte ich das große Privileg, dass ich im Rahmen dieses Praktikums dem gleichaltrigen Sohn des damaligen Bezirksdirektors zugeordnet wurde, der daraufhin seinen Vater fragte, was er mit mir anstellen solle, worauf der Vater in Kenntnis der politischen Entwicklungen der vorausgegangenen Wochen und in weiser Voraussicht der folgenden Ereignisse seinem Sohn mit Augenzwinkern den Auftrag erteilte, mir die Stadt zu zeigen.
Also bekam ich nicht nur den Kudamm mit Tauentzienstraße (inklusive Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Europacenter, KaDeWe, Bahnhof Zoo usw.) als damaliges Zentrum Westberlins, sondern auch die weniger bekannten aber nicht minder interessanten Ecken der Stadt gezeigt, an denen sich normalerweise keine Touristen aufhielten.
Westberlin galt damals schon als die Stadt, die nie schläft, weil sich das komplette Stadtleben in sehr engen abgeschotteten Grenzen abspielen musste und zu dieser Zeit die Sperrstunde bereits abgeschafft war, d. h., dass hier keine offizielle Nachtruhe existierte und es für Kneipen, Gaststätten usw. keine Begrenzung der Öffnungs- und Ausschankzeiten und damit auch keine letzte Bestellung gab.
Also habe ich mich dem Image der schlaflosen Stadt fast zwei Wochen lang angepasst und in dieser Zeit kaum ein Bett gesehen. Stattdessen habe ich sowohl West- als auch Ostberlin sehr intensiv kennengelernt und das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben mit all seinen Facetten und Ausprägungen regelrecht aufgesaugt und verinnerlicht.
Vor diesem Hintergrund liefen die deutschen Schicksalstage bis zum Mauerfall für mich wie ein Film ab, in dem ich mich nicht nur als Zuschauer sondern auch als aktiven Teilnehmer wahrgenommen habe, wobei die Tage unmittelbar vor dem Mauerfall mit der spannenden Ungewissheit, wo diese Entwicklung hinführen würde, für mich wesentlich bedeutsamer waren als der kollektive Freudentaumel am 09.11.89.
In Ostberlin konnte man in den Tagen vor dem 09.11. bereits eine emotional ambivalente (zwiespältige) Stimmung zwischen beklemmender Trostlosigkeit und spannungsgeladenem Aufbruch spüren.
Auf der einen Seite wurde man bei der Einreise nach Ostberlin über den damaligen Grenzübergang Friedrichstraße noch von den DDR-Grenzschutztruppen mit Argusaugen gefilzt und von oben bis unten abgescannt, während bei der größten Demonstration im Vorfeld des Mauerfalls am 04.11.89 am Alexanderplatz die Staatsmacht der DDR ihre Präsenz bereits deutlich zurückgefahren hatte.
Am Samstag dem 04.11.89 bin ich noch über den Grenzübergang Friedrichstraße nach Ostberlin eingereist und habe 25,- DM Mindestumtausch bezahlen müssen. Da man in der DDR mit 25,- Ostmark nichts Vernünftiges kaufen konnte, habe ich in einer Kneipe für ein paar Pfennige eine Fassbrause getrunken und den Rest meines Geldes dem Kellner geschenkt.
Der Mauerfall am 09.11. kam dann für mich sehr plötzlich und zu diesem Zeitpunkt völlig unerwartet und so habe ich mich an diesem Donnerstagabend zunächst einmal nur über die vielen hupenden Trabbis gewundert, die mittlerweile bis in die Bezirke Steglitz/Friedenau vorgedrungen waren.
Die PKW-Insassen klebten unter ständigem Kopfdrehen hinter den kleinen Trabbi-Autoscheiben und man hatte den Eindruck, als dürften die Ostberliner im Westteil der Stadt durch die hart erkämpfte Reisefreiheit keine Leuchtreklame oder beleuchtete Glasfassade verpassen.
Die Nachricht von den offenen Grenzübergängen verbreitete sich dann aber wie ein Lauffeuer und die bewegten und unbewegten Bilder dazu sind ja heute jedem interessierten Medienkonsument bekannt und brauchen an dieser Stelle sicherlich nicht beschrieben zu werden.
Selbst am nächsten Morgen dem 10.11.89 kamen mir auf dem Weg von Friedenau zum Flughafen Tegel noch einzelne Trabbis mit staunenden Insassen entgegen.
Leider hatte ich für den 10.11.89 ein Rückflugticket mit British Airways gebucht (auf Grund des Viermächtestatus durfte damals keine deutsche Fluggesellschaft Berlin anfliegen) und so endete mein Berlinaufenthalt an diesem Tag. Die historische Dimension meines zweiwöchigen Betriebspraktikums wurde mir allerdings erst viele Wochen und Monate später so richtig bewusst.
Prüm, im November 2019
Thomas Lauxen
(Zeitzeuge in Bild und Text)
Heute ist Tag der deutschen Einheit. Ich muss für die Schule viel lernen.
„Die Mauer, die 1961 von Ostdeutschland, von der DDR erbaut worden ist, hat Berlin in zwei Teile geteilt: in Ost- und Westberlin.
Diese berühmt-berüchtigte Mauer ist seit der deutschen Wiedervereinigung fast völlig entfernt worden.
Wie es es zu dieser Mauer gekommen und warum gibt es sie heute nicht mehr?
Im 1945 war Berlin total zerstört. Die Siegermächte _ USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion waren sich damals in einem Punkt einig: Von Deutschland darf nie wieder
ein Krieg ausgehen.
Aber wie sollte das Land wieder aufgebaut werden?
Welches politische system sollte es bekommen?
Darüber gab es bei den Siegern völlig unterschiedliche Meinungen und so kam es zur Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen: Im Westen die Besatzungszonen der Amerikaner, Briten und Franzosen und im Osten sowjetische Besatzungszone.
1949 wurden zwei Deutsche Staaten gegründet: Aus den drei Westzonen wurde Westdeutschland, die sich politisch an
westliche Demokratie orientierte. Und aus der Ostzone wurde Ostdeutschland, die Deutsche Demokratische Republik
oder DDR, ein sozialistischer Staat nach sowjetischem Vorbild.
Damals gab es aber noch nicht Berliner Mauer. Die wurde erst später gebaut.
Warum hat man sie gebaut?
Viele Menschen im Osten waren mit dem Leben in der sozialistischen DDR unzufrieden. Es gab keine richtige Demokatie, man konte seine Meinung nicht frei sagen.
Den Bundesbürgern ging es wirtschaftlich viel besser.
Kein wunder, dass immer mehr Ostdeutsche nach Westdeutschland gingen. Deshalb haben die Verantwortlichen
in der DDR 1961 die Berliner Mauer bauen lassen und überhaupt die gesamte Grenze nach Westdeutschland geschlossen.
Trotzdem flohen zwischen 1961 und 1989 noch tausende Bürger über die Grenze. Leider sind bei diesen Fluchtversuchen
auch eine ganze Reihe Menschen erschossen worden”.
/Quelle: Lehrbuch „Schritte plus 6″, Deutsch als Fremdsprache /
Kaum ein Staatsmann wird so häufig zitiert, wie
Willy Brandt (1913 _1992). In Zeiten der Ost-West-Konfrontation suchte er den Dialog. Mit den Ostverträgen begann er einen Kurs
der Entspannung mit der DDR, Polen und den übrigen
Ostblockstaaten.
Für seine Ostpolitik und seinen Einsatz für den Frieden in der Welt
wurde 1971 der damalige Bundeskanzler mit dem
Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Berliner Mauer war nicht nur ein Symbol für die Teilung Deutschlands, sondern auch für die Teilung der Welt.
Beide deutsche Staaten gehörten unterschiedlichen
Verteidigungsbündnissen an
_ Westdeutschland war Mitglied der NATO
_ Ostdeutschland gehörte zum Warschauer Pakt.
1991 wurde Warschauer Pakt aufgelöst. 30 Jahre sind inzwischen
seit der Wende vergangen.
Natürlich, hat Ukraine das Recht, seinen Verbundeten frei zu wählen. Völkerrechtlich mag ja das richtig sein! Nun… es wäre klug, die Lösungen zu finden, die für die Ukraine anzunehmen
und für Russland akzeptabel ist.
Die folgende Rede hielt 1992 in Berlin der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker:
„Das Vertrauen des Auslands in die Stabilität der deutschen Demokratie ist für uns und für ganz Europa von großem Gewicht.
…Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen, allem Fremden,
allen Notleidenden hat eine starke Tradition bei uns, und sie ist unverändert lebendig.
Wir werden mit den anderen Völkern friedlich zusammenarbeiten. Wir werden Fremde gastlich aufnehmen,
soweit unsere Kräfte reichen.
Und auch das wollen wir nicht vergessen: Wir verdanken es nicht nur uns selbst und den Moskauer Reformen, sondern auch unseren französischen, britischen und amerikanischen Freunden,
dass wir uns hier und heute mitten in unseren alten und wieder neuen Hauptstadt zu einer freien Demonstrazion versammeln können.
Nach dem Ende des kalten Krieges bedroht uns in Europa
eine neue Spaltung in die reichen und in die armen Länder.
Da die Grenzen offen sind, versuchen die Menschen,
aus den Armutsgebieten auszuwandern. So war es immer
in der Geschichte.
Wir haben Trennung überwunden. Nun wollen wir keine
neuen Grenzen entstehen lassen.
Wir haben unsere Schwierigkeiten im eigenen Land. Doch wir wissen, wie viele andere Völker es weit schwerer haben.”
/Quelle: Texte, Themen und Strukturen, Gornelsen/
Ostdeutschland ist ein besonderer Raum mit besonderen
Erfahrungen. In ihm spielen sich viele Entwicklungen ab,
die sich weltweit beobachten lassen. Die Mauereröffnung am 9. November 1989 bedeutete Auseinanderbrechen der Sowjetunion.
Mittelschicht bricht ab. Die Arbeiterklasse verliert den Boden.
Die alten Autoritären verschwanden.
Die Abwanderung aus dem Osten in den Westen auf dem hohen Niveau; unkontrolliert; nicht mehr steuerbar.
/Quelle: Kowalczuk, „Die Übernahme”/
1989. Ein wichtiger Historischer Abschnitt der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland. Dass es wieder zur Einheit
Deutschlands kam, gehört zu den Verdiensten der Ostpolitik
Willi Brandt (1913_ 1992).
Wiedervereinigung war möglich nur in einer gesamteuropäischer
Friedensordnung.
Die Welt wandelt sich unaufhörlich. Wenn wir über die DDR
reden, kommen wir an Karl Marx nicht vorbei. Wie eine Epidemie
verbreitete sich der Sozialismus. Der Grundgedanke gehört
Karl Marx, abgefasst in deutscher Sprache, zuerst deutsch veröffentlicht vor 200 Jahren.
Die Themen: Globalisierung, Nationalismus,
„völlige Trennung der Kirche vom Staat”
sind heute noch aktuell.
Warum war Sozialismus so „salonfähig” auf dem ganzen Kontinent? Was ist heute noch wichtig und wovon muss man sich verabschieden?
Der Zusammenbruch ging nicht überall so friedlich.
Viel schwieriger und schmerzhafter verlief die Auflösung
der Sowjetunion. So sind bewaffnete Konflikte zu nennen:
1. Tschetschenierkrieg seit dem 1990
2. Russisch- georgischer Krieg 2008
3. Seit 2014 andauernder Krieg in der Ukraine
4. Aufgeflammte nationale Konflikte
im Kaukasus (Berg Karabach) und in Zentralasien _
können als „Nachbeben” des Zerfalls interpretiert werden.
Zusammenbruch brachte massenhafte Migranten
nach Ausland, wo niemand auf sie wartete. Der tägliche Kampf
ums Überleben in der neuen Realität hat die Gesellschaft
dazu gebracht.
Eine ganze Weltordnung war plötzlich verschwunden.
Zeitreisen in die Vergangenheit sind physikalisch
nicht möglich. Trotzdem erlauben uns Zeitschriften und Fotos
Einblicke in die Vergangenheit zu gewinnen.
Danke für diesen Zeitungsbericht.
Krasser Bericht, richtig cool.
Über die Ereignisse aus der Jahre 1989
Der Bericht liefert Ansatzpunkte für Alltag und Lebenswelt der Menschen im Herbst 1989. Bald löst sich die DDR auf und die heutigen fünf östlichen Bundesländer treten der BRD bei.
Man spricht von der „Wende”.
Unterschiede zwischen den beiden deutschen Staaten erkennt der Leser ohne Mühe. Aus dieser Differenz ergibt sich eine Spannung.
_ Was forderten die Menschen?
_ politische Mitbestimmung und freie Wahlen.
Der Mauerfall und Zusammenbruch des Regimes im Jahre 1989 kam plötzlich und völlig unerwartet.
Aus diesem Bericht konnte ich Informationen über die verschiedenen Bereiche des Lebens entnehmen.