„Herr Dr. Streit, gibt es einen Weihnachtsmann?” IGEL-Interview mit Landrat Dr. Joachim Streit am 05.12.2019

vorne von links: Evin Cevlik, Melissa Belsch, Dominik Hahn und Sonja Esser, hinten: Catrin Stecker, Dr. Joachim Streit und Martin Olinger, Foto: Ansgar Dondelinger
vor­ne von links: Evin Cev­lik, Melis­sa Belsch, Domi­nik Hahn und Son­ja Esser, hin­ten: Catrin Ste­cker, Dr. Joa­chim Streit und Mar­tin Olin­ger, Foto: Ans­gar Dondelinger

Melis­sa: Sehr geehr­ter Herr Dr. Streit, wir dan­ken Ihnen, dass Sie uns zum IGEL-Inter­view hier in die Kreis­ver­wal­tung Bit­burg-Prüm ein­ge­la­den haben!

Domi­nik: Wir freu­en uns sehr, dass Sie für uns Zeit gefun­den haben.
Zunächst haben wir Sie gegoo­gelt, doch da haben wir nicht viel gefun­den, außer dass Sie seit nun zehn Jah­ren das Amt des Land­ra­tes beklei­den und bei jeder Wahl mit über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit gewählt und wie­der­ge­wählt wur­den. Für die Eifel gel­ten Sie als Sym­pa­thie­trä­ger, da sie über­all, wo Sie auf­tau­chen, lächeln.

Son­ja: Ansons­ten pos­ten Sie Ihr Leben schon sehr öffent­lich geschickt und gespickt mit vie­len pri­va­ten Details auf Face­book, Ins­ta, Twit­ter und ande­ren social media. Wür­den Sie unse­ren Leser*innen bit­te kurz vor­stel­len, was ein Land­rat so macht?

Herr Dr. Streit: Herz­lich will­kom­men hier in der Kreis­ver­wal­tung des Eifel­krei­ses Bit­burg-Prüm, ich bin sehr stolz, dass Ihr mich um ein Inter­view gebe­ten habt, denn Ihr habt ja eine tol­le Schü­ler­zei­tung. Zu Dei­ner Fra­ge, Son­ja:
Die Arbeit eines Land­ra­tes ist etwa drei­ge­teilt: ein Drit­tel fin­det im Büro, also am Schreib­tisch statt, ein Drit­tel besteht aus der Arbeit in Gre­mi­en, dem Kreis­tag, dem Kreis­aus­schuss, dann gibt es noch Zweck­ver­bän­de, beim Land­kreis­tag und das drit­te Drit­tel sind reprä­sen­ta­ti­ve Auf­ga­ben, drau­ßen bei Ver­eins­ju­bi­lä­en, bei Ein­füh­run­gen von Schulleiter*innen z.B., bestimm­te hun­dert­jäh­ri­ge Jubi­lä­en, vie­le Musik­ver­an­stal­tun­gen. Nor­ma­ler­wei­se habe ich 40 Arbeits­stun­den auf dem Papier, aber meis­tens kommt da immer noch eine gute Ladung Stun­den obendrauf. 

Melis­sa: Sie haben uns, dem IGEL, zu unse­rem 40jährigen Jubi­lä­um, ein sehr loben­des Gruß­wort geschrie­ben. Vie­len Dank dafür! Haben Sie denn mal in den IGEL, unse­re Online-Schü­ler­zei­tung, rein­ge­schaut?
Herr Dr. Streit: Ja, der IGEL ist mir bekannt, weil Ihr mich vor gut einem Jahr über Insta­gram ange­schrie­ben hat­tet, als es um die Still­le­gung des obe­ren Ori­en­tie­rungs­stu­fen­trak­tes ging.

Son­ja: Wir sind eine Online-Schü­ler­zei­tung, das heißt mul­ti­me­di­al unter­wegs in Text, Bild und Ton.
Evin: Heu­te ist Niko­laus­abend.
Domi­nik: Kön­nen Sie sich daher vor­stel­len, was wir uns jetzt von Ihnen wün­schen, Herr Land­rat?
Herr Dr. Streit: Die­ses Gedicht muss­ten wir 1974 in der Schu­le lernen. 

Ob Chres­sdaach Mor­jen wor et kalt
On ziem­lich hart gewor­fen
Do kre­jht den Höhn an aller Freh:
„Den Hei­land aß geboren.”

Do billt den Hund: „Wuwu, wuwu,
Wu aß en dan zo fan­nen?„
Do bläzt de Geeß: „Zo Bed­le­he­em!„
On bliev net lan­ger hannen.

Den Hund, de sät: „Eich lofen dor,
On wär et hon­nert Ston­nen,
On läkt em sei kal Feeß­ja worm,
Wann eich en hätt“ gefonnen.” 

Do sät den Hohn: „Eich zeert en sche­jn
Mat Fädern son­ner­glei­chen”
Do sät de Geeß: „Eich giev em melch;
Sankt Jusep soll mich streichen 

On wat geß dau, o Men­sche­kand,
Dei­nen Gott aus drei­em Her­zen?
Wells­dau an Send on Unver­stand
dei Sej­len­heel verscheren?

Dau brauchst net iwer Land on Meer
No Bed­le­he­em zo ränen:
Den Hei­land fendst dau iweral,
Wann dau en wells erkänen.

Soweit das Gedicht von Peter Zir­bes (1825–1901), einem Mund­art­dich­ter aus Niederkail.

Domi­nik: Wie wür­den Sie sich als Schü­ler wäh­rend Ihrer eige­nen Schul­zeit im Nach­hin­ein ein­schät­zen, wenn Sie zwi­schen Stre­ber, mit­tel­mä­ßig oder tota­ler Noob wäh­len müss­ten?
Herr Dr. Streit: Eher mit­tel­mä­ßig, ich lern­te nur das Nötigs­te, denn dadurch hat­te ich sehr viel Frei­zeit. Ein­mal blieb ich auch in der Ober­stu­fe sit­zen, hat­te dann aber im Abitur die bes­ten Noten in den Fächern, in denen ich vor­her Fün­fen und Sech­sen hat­te (Mathe­ma­tik und Phy­sik). Ich habe mich dann nach­her auch wirk­lich gefragt, an wem es da eigent­lich lag. 

Melis­sa: Auf jedem Bild fin­det man Sie mit per­fek­ten Haa­ren und einem strah­lend wei­ßen Lächeln – wie schafft man das einen anstren­gen­den Arbeits­tag lang?
Herr Dr. Streit: Ich bin von Grund auf ein fröh­li­cher Mensch, kann aber auch auf einen Knopf drü­cken, um von schlech­ter Lau­ne auf gute Lau­ne zu schal­ten. Ich sage immer scherz­haft, dass die Heb­am­me mir damals einen Klaps auf den Po gab und mir sag­te: „Sit­ze locker im Sat­tel des Lebens!” Wenn ich aus dem Haus gehe, bin ich der Land­rat und kann mich moti­vie­ren und Din­ge, die mich bedrü­cken, in den Hin­ter­grund zu drängen. 

Son­ja: Wel­che Aspek­te gefal­len Ihnen denn an Ihrem Amt am bes­ten?
Herr Dr. Streit: Am bes­ten ist, dass man sehr viel mit Men­schen arbei­tet. Und die­se Men­schen sind auch zu 99% immer guten Wil­lens – und das, obwohl wir eigent­lich kein Geld haben – trotz­dem viel errei­chen. Wir haben eine gro­ße Ziel­pla­nung auf das Jahr 2030 hin, so wie auch im Bereich der gan­zen Schul­bau­ten. Als ich anfing, hat­ten wir mal so einen Bereich von 20 bis 30 Mil­lio­nen, von denen ich dach­te, dass wir so viel aus­ge­ben wür­den. Dann haben wir uns her­an­ge­robbt, kon­kre­ter berech­net und dann waren es auf ein­mal 60 Mil­lio­nen. Nach den ers­ten Bau­ten war uns dann klar, dass wir das Vor­ha­ben unter­schätzt hat­ten, denn bei allen alten Gebäu­den, die reno­viert wer­den, über­ho­len einen die Kos­ten. Hät­ten wir geahnt, dass wir irgend­wann mit Zah­len von bis zu 160 Mil­lio­nen Euro jon­glie­ren müs­sen, hät­ten wir uns viel­leicht erst gar nicht dran­ge­ge­ben. Wir haben zur­zeit zwölf Schu­len, aber es sind mehr Gebäu­de, 16 bis 17. So haben wir jetzt enorm viel zu tun, sehen aber auch, dass wir etwas errei­chen kön­nen, auch wenn der Haus­halt gar nicht so gut aussieht. 

Domi­nik: Was war Ihr Berufs­wunsch als Kind, Pirat, Feu­er­wehr­mann oder Cow­boy?
Herr Dr. Streit: Das kann ich ein­deu­tig beant­wor­ten: Stra­ßen­wär­ter. Mein Vater war Stra­ßen­wär­ter, er kam zur Mit­tags­pau­se mit einem Uni­mog nach Hau­se. Die Tech­nik, die oran­ge Rund­um­leuch­te, die Schau­fel vor­ne, all das hat mich immer schon fas­zi­niert: Straßenwärter.

Evin: Was an Ihrer Arbeit emp­fin­den Sie als am meis­ten anstren­gend?
Herr Dr. Streit: Wenn Sachen immer und immer wie­der pas­sie­ren und man denkt, die müss­ten doch schon längst abge­schafft sein. Aber es sind immer ande­re Men­schen, die mit dem glei­chen Pro­blem kom­men und wenn sich das dann X‑mal wie­der­holt, dadurch wird es nach einer Zeit lang­wei­lig. Beson­ders ärgert es mich, wenn es Din­ge sind, bei denen ich selbst Feh­ler gemacht habe. Aber über­all, wo Men­schen bei­ein­an­der sind, pas­sie­ren eben Feh­ler. Sich dann zu erklä­ren, ist mit­un­ter anstrengend.

Domi­nik: Was möch­ten Sie in Ihrem Leben unbe­dingt noch machen, gibt es da eine Abhak­lis­te, beruf­lich oder auch pri­vat?
Herr Dr. Streit: Im Beruf habe ich Ideen für 200 Jah­re und ich sehe, wie mir die Zeit davon­läuft. Jetzt ist man als Land­rat schon auf acht Jah­re gewählt. Zehn Jah­re sind vor­bei. Wir pla­nen schon auf das Jahr 2030 hin wohl wis­send, dass mei­ne Amts­zeit nur bis 2025 geht. Man muss ein­fach lan­ge im Vor­aus pla­nen. Zum Teil braucht man ande­re Behör­den, die Auf­sichts­di­rek­ti­on, das Land, den Bund, die EU, Ver­bands- und Orts­ge­mein­den. Bis man dann alles zusam­men hat, ver­geht Zeit. Mei­ne Abhak­lis­te wür­de ich beruf­lich das inte­grier­te Kreis­ent­wick­lungs­kon­zept nen­nen. Das sind über 200 Maß­nah­men, drei stra­te­gi­sche Zie­le, 20 Hand­lungs­fel­der, die auf die­ser Lis­te stehen. 

Pri­vat wün­sche ich mir mehr Zeit mit der Fami­lie. Wenn ich dar­über nach­den­ke, kom­men mir die Trä­nen. Der Beruf „Land­rat” ist ein Ver­bre­chen an der Fami­lie, das muss man lei­der so sagen. Mei­ne Arbeit lässt kei­ne Hob­bys zu. Auch mei­nen Freun­des­kreis bekom­me ich nicht gepflegt. Die Fami­lie hat­te beschlos­sen, dass wir zusam­men einen Golf­kurs machen. Das fand ich unheim­lich schön, so lan­ge mit mei­ner Fami­lie zusam­men zu sein und das ohne Handys. 

Son­ja: Seit zehn Jah­ren war­ten wir auf den Umzug unse­res Schul­ge­bäu­des, der Kai­ser-Lothar-Real­schu­le plus in ein kaum moder­ne­res ande­res Gebäu­de, näm­lich in das Gebäu­de der ehe­ma­li­gen Wan­dal­bert-Haupt­schu­le. Die Bau­plä­ne hän­gen jetzt end­lich aus. Nächs­tes Jahr wird viel­leicht mit den Umbau­maß­nah­men begon­nen, ein Umzug könn­te ab 2023 wahr­schein­lich sein. Wird der Jahr­gang von Melis­sa, Evin und Domi­nik (ach­te Klas­se) den Umzug ins ehe­ma­li­ge Wan­dal­bert-Haupt­schul­ge­bäu­de noch erle­ben? War­um dau­ert so ein beschlos­se­ner Umzug 13 Jah­re, bis er umge­setzt wer­den kann?

Auf die­se Fra­ge ant­wor­tet Herr Mar­tin Olin­ger, den Herr Dr. Streit zu unse­rem Inter­view­ter­min dazu gebe­ten hat, da die­ser der Amts­lei­ter des Amts 15 ist, des Amtes für Haus­halt, Ein­zah­lung, Kas­se, Gebäu­de­ver­wal­tung, Lie­gen­schaf­ten und Schule.

Herr Olin­ger: Das ist ein ganz lang­wie­ri­ger Pro­zess, da sind unwahr­schein­lich vie­le Akteu­re mit im Boot. Man fängt dann mal an und schaut sich die Gebäu­de an und stellt die Män­gel fest. Dann kam die Schul­struk­tur­re­form und mit einem Mal war das Wan­dal­bert­ge­bäu­de Eigen­tum des Land­krei­ses. Das war ja fast leer. Da fing man wie­der an zu pla­nen, ob die­ses Gebäu­de viel­leicht bes­ser geeig­net sei. Bei die­sen Über­le­gun­gen und Pla­nun­gen wir­ken vie­le Behör­den mit. Das dau­ert Jah­re. Die­ser Pro­zess ist jetzt abge­schlos­sen. Am 16. Dezem­ber wird das Pro­gramm beschlos­sen. Der Umbau eures neu­en Schul­ge­bäu­des war mit acht Mil­lio­nen Euro ver­an­schlagt und wird jetzt zwölf Mil­lio­nen kos­ten. Das liegt zum Bei­spiel an den neu­en Brand­schutz­vor­schrif­ten. Dann kön­nen wir nach dem 16.12. end­lich an die Aus­schrei­bun­gen für die Hand­wer­ker gehen. Da ist mit einer Bau­zeit von ca. vier Jah­ren zu rech­nen. Also wer­det ihr den Umzug nicht mehr erle­ben wäh­rend Eurer Schul­zeit. Aber Ihr könnt die Bau­stel­le ja dann mal anschau­en kommen.

Melis­sa: War­um ist eine kom­plet­te Eta­ge des vor­de­ren Teils unse­res Gebäu­des schon seit 1,5 Jah­ren gesperrt, ich mei­ne, die 20 Jah­re vor­her war die feh­len­de zwei­te Trep­pe auch kein Pro­blem. Wir haben uns genau infor­miert, die Sicher­heits­be­auf­trag­ten unse­rer Schu­le hat­ten die Kreis­ver­wal­tung in den letz­ten Jah­ren immer wie­der des­we­gen ange­schrie­ben. War­um ste­hen die vier Klas­sen­räu­me, die uns echt feh­len, jetzt ein­fach leer? Eine Not­aus­gang­trep­pe muss doch auch für die BBS gebaut wer­den, wenn die dann in unser Gebäu­de zieht.
Herr Olin­ger: Ja, das ist jetzt der nächs­te Schritt. Wenn ihr umge­zo­gen seid in das Wan­dal­bert-Gebäu­de, dann wird euer altes Gebäu­de reno­viert, da soll dann ja die Berufs­schu­le rein. Aber selbst dann wis­sen wir den Stand der Schu­le nicht. Viel­leicht wird die Trep­pe immer noch gesperrt blei­ben, weil das alles viel Geld kos­tet. Eine sol­che Trep­pe kos­tet 75000 Euro. Die kann man nicht ein­fach jetzt schon bau­en, ohne zu wis­sen, wie die BBS dann Euer jet­zi­ges Gebäu­de nut­zen wird.

Son­ja: Wir den­ken natür­lich jetzt ganz klar aus unse­rer Per­spek­ti­ve als jet­zi­ge Schüler*innen der KLR+, wir sehen, dass eine kom­plet­te Schü­ler­ge­nera­ti­on in einer schwie­ri­gen Gebäu­de­si­tua­ti­on die Real­schu­le plus in Prüm besucht, die kein gutes Licht auf unse­re Schu­le wirft. Es feh­len Klas­sen­zim­mer, zur­zeit ist der Bau­lärm uner­träg­lich, der Pau­sen­hof ist wie ein Gefäng­nis­hof zusam­men­ge­schrumpft und wir sehen das Licht am Ende des Tun­nels nicht. 

Herr Olin­ger: Aber dafür wer­det ihr die sanier­te Turn­hal­le noch erle­ben, das ist doch schon mal was, die soll im kom­men­den Jahr fer­tig­ge­stellt werden.

Herr Dr. Streit: Im kom­men­den Jahr bau­en wir also in Irrel, dann kommt das Gym­na­si­um in Bit­burg hin­zu, wei­ter das Gym­na­si­um in Prüm, das wird eine Rie­sen­ge­schich­te, dann die Wan­dal­bert­schu­le und schließ­lich noch hier in Bit­burg unser eige­nes Ver­wal­tungs­ge­bäu­de. Lei­der fin­den wir auch fast kei­ne Inge­nieu­re mehr, denn der freie Markt ist attrak­ti­ver als bei der Ver­wal­tung zu arbei­ten. Und dann fin­den wir kaum Archi­tek­ten und dann fin­den wir kei­ne Hand­wer­ker mehr.

Domi­nik: Jetzt wird es wie­der pri­va­ter: Was trifft eher auf Sie zu: Gefühls­mensch oder Kopf­mensch?
Herr Dr. Streit: Kopf­mensch. Aber es gibt eine Regel, wenn man nicht weiß, wie man auf sein Herz hören soll. 

Son­ja: Wel­ches ist das bes­te Buch, das Sie je gele­sen haben, wel­ches ist der bes­te Film, den Sie je gese­hen haben?
Herr Dr. Streit: Das Buch das mich in mei­nem Leben am meis­ten beein­druckt hat, war Die neu­en Lei­den des jun­gen W.” von Ulrich Plenz­dorf.
Und beim Film muss ich geste­hen, dass ich „Net­fli­xer” bin. Ich lie­be Seri­en, da kann man so schön ent­span­nen. Mei­ne Lieb­lings­se­rie war „Games of thro­nes”. Ich habe schon über 120 Seri­en geguckt. Wenn ich im Auto nicht arbei­te, schaue ich ger­ne Serien.

Evin: Wenn Sie eine belie­bi­ge Akti­vi­tät zu einer olym­pi­schen Dis­zi­plin machen könn­ten, bei wel­cher hät­ten Sie die größ­ten Chan­cen, eine Medail­le zu gewin­nen?
Herr Dr. Streit: Ich muss sagen, dass ich als Kind sehr, sehr dick war und muss­te Orthe­sen tra­ge. Das sind so Bein­schie­nen, um die Bei­ne zu begra­di­gen. Daher habe ich viel Zeit mei­ner Jugend mit die­sen Schie­nen auf dem Sofa ver­bracht. Dadurch wur­de ich auch in der Schu­le im Sport­un­ter­richt immer als Letz­ter gewählt. Beim Fuß­ball hieß es dann oft: „Wir neh­men das Mäd­chen – nehmt ihr ihn.” Mei­ne Mitschüler*innen hat­ten mir einen Spitz­na­men gege­ben: „Dickie”. Seit­dem hat sich viel geän­dert. So bin aber auch zur Poli­tik gekom­men. Ich las viel und schau­te poli­ti­sche Sen­dun­gen. Der dama­li­ge kör­per­li­che Nach­teil hat mir also zu einem rie­sen­gro­ßen geis­ti­gen Vor­sprung verholfen. 

Domi­nik: Ihr State­ment zum The­ma „Fri­days for Future”: Glau­ben Sie, dass Kin­der, die heu­te gebo­ren wer­den, ein bes­se­res oder ein schlech­te­res Leben als ihre Eltern füh­ren kön­nen?
Herr Dr. Streit: Es wird ein ande­res Leben sein. Ich bin ja auf­ge­wach­sen in einem Land, in dem es wirt­schaft­lich immer wei­ter berg­auf ging. Bei uns galt der Satz der Eltern: „Still­stand ist Rück­schritt.” und es muss­te immer mehr wer­den. Jetzt brau­chen wir auch mehr, jedoch im grü­nen Bereich. „Green deal” sagt Ursu­la von der Ley­en dazu, erneu­er­ba­re Ener­gien, Foto­vol­ta­ik, Elek­tro­au­tos. Das wird ein gewal­ti­ger Umbruch wer­den. Wirt­schaft­lich ist es sicher­lich schwie­ri­ger gewor­den. Das spricht aber auch dafür, dass das Leben auf dem Land sich wie­der lohnt und der Eifel­kreis attrak­tiv wird. 

Son­ja: Gibt es Din­ge, die in der Welt pas­sie­ren, die Ihnen Angst machen?
Herr Dr. Streit: Ja. Wir sind auf­ge­wach­sen im Kal­ten Krieg, da gab es den Wes­ten und den Osten und bei­de Mäch­te waren bewaff­net bis an die Zäh­ne mit Atom­waf­fen. Der Feind war klar beschrie­ben. Heu­te haben wir eine Welt, in der wir nicht mehr wis­sen, vor wem wir Angst haben müs­sen. Es ist nicht mehr stra­te­gisch auf Men­schen Ver­lass, was man zum Bei­spiel am ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten sieht. 

Lourdes-Grotte Beilingen: einer von Herrn Dr. Streits "places to be" (Foto: eifel-direkt)
Lour­des-Grot­te Bei­lin­gen: einer von Herrn Dr. Streits „places to be” (Foto: eifel-direkt, VG Speicher)

Melis­sa: Wel­ches sind zur­zeit Ihre drei Lieb­lings­or­te oder ‑plät­ze in der Eifel?
Herr Dr. Streit: Ich stam­me aus dem Ort Bei­lin­gen. In Bei­lin­gen gibt es eine Mari­en-Grot­te, die vor über 100 Jah­ren von einer Schul­klas­se errich­tet wur­de. Das ist ein wun­der­ba­rer Ort, wo man sich ein­fach nie­der­las­sen und nach­den­ken kann. 

Marien-Grotte Beilingen (Foto: eifel-direkt)
Mari­en-Grot­te Bei­lin­gen (Foto: eifel-direkt, Simo­ne Probst )

Ein zwei­ter Ort ist sicher­lich der Blick, wenn man zwi­schen Kyll­burg und Mal­berg ist und man kann sowohl auf den Stifts­berg als auch auf das Mal­ber­ger Schloss schau­en kann. 

Blick vom Annenberg auf das Malberger Schloss (Foto: eifel-direkt)
Blick vom Annen­berg auf das Mal­ber­ger Schloss (Foto: eifel-direkt, Moni­ka Mayer)
Blick vom Annenberg auf den Kyllburger Stiftsberg (Foto: eifel-direkt)
Blick vom Annen­berg auf den Kyll­bur­ger Stifts­berg (Foto: eifel-direkt, Moni­ka Mayer) 

Und dann natür­lich bei Son­nen­schein die Eis­die­le bei Euch in Prüm mit Blick auf die wun­der­bar reno­vier­te Sankt Sal­va­tor Basi­li­ka und den neu gestal­te­ten Hahn­platz. Und es gibt für mich einen vier­ten Ort, näm­lich, wenn man die Our-Schlei­fe sieht, dann steht man bei Wald­hof-Fal­ken­stein oben und schaut run­ter ins Our­tal. Man sieht dann auf Luxem­burg und das ist auch so ein wun­der­ba­rer Blick.

Domi­nik: Was war der größ­te Mist, den Sie als Jugend­li­cher gebaut haben?
Herr Dr. Streit: Ich habe ein­mal fast unser Haus ange­steckt, und zwar spiel­te ich als Jugend­li­cher immer ger­ne mit Feu­er. Dann stand da immer Feu­er­zeug-Ben­zin her­um. Unser Haus hat­te einen Anbau und das Schlaf­zim­mer mei­ner Eltern befand sich dort über dem ehe­ma­li­gen Schwei­ne­stall, der da nur noch als Holz­la­ger dien­te. Mein Vater hat­te die Decke mit Sty­ro­por abge­dich­tet und von der Decke hin­gen haa­ri­ge Maschi­nen­sei­le hin­ab, mit denen man Heu­bal­len umwi­ckelt. Dann kam ich mit einem Feu­er­zeug und zün­de­te die haa­ri­gen Sei­le an, aus dem Glim­men wur­de ein Feu­er und das Feu­er schlug gegen die Sty­ro­por­de­cke und sie brann­te.
Da mei­ne Groß­mutter sehr spar­sam war, sam­mel­te sie Regen­was­ser. Ich rann­te dann raus und schnapp­te mir einen sol­chen Eimer, da unser Schwei­ne­stall nur 1.70 hoch war und ich grad 10 Jah­re alt war, konn­te ich den Brand von unten löschen, das geschmol­ze­ne Sty­ro­por tropf­te mir aller­dings auf die Hand und man sieht es jetzt noch (er zeig­te sie uns).

Son­ja: Bei Face­book pos­te­ten Sie am 27.09.19 Fol­gen­des:  
„50 Mio. Euro haben wir in den letz­ten 10 Jah­ren inves­tiert.
100 Mio. Euro kom­men in den nächs­ten 10 Jah­ren hin­zu.
Egal wie schlimm es kommt, bei Schu­len wird nicht gespart.
Hin­zu kommt die digi­ta­le Aus­stat­tung der Schu­len,
die am Ende den Betrag von vier Mil­lio­nen Euro weit über­schrei­ten wird.„
Wir fin­den es schwie­rig, sol­che Zah­len rich­tig ein­zu­schät­zen. Wie­viel Geld wur­de denn zum Ver­gleich vor den zehn Jah­ren, die sie nen­nen, also vor 2009, in die Schu­len inves­tiert?
Herr Olin­ger: Ein Teil der Schu­len gehör­te uns bis dahin noch nicht. Es gibt einen Unter­hal­tungs­ti­tel über jedes Jahr, das gelau­fen ist. Eini­ge Schul­erwei­te­run­gen hat­ten wir bereits in den Jah­ren davor oder drin­gen­de Reno­vie­rungs­maß­nah­men wie Schul­toi­let­ten. Im Schnitt waren das in den Jah­ren davor immer so 100.000 Euro pro Schu­le pro Jahr. Die­se Mil­lio­nen­be­trä­ge flie­ßen erst seit 2009. Da wur­de näm­lich ein Inves­ti­ti­ons­pro­gramm (ers­tes Kon­junk­tur­pa­ket) auf­ge­legt, das war die Initi­al­zün­dung. Es begann mit ener­ge­ti­schen Sanie­run­gen und dann schaut man von außen nach innen und aus einem klei­nen Reno­vie­rungs­vor­ha­ben wird eine gro­ße Generalsanierung.

Domi­nik: Wie­viel Geld haben die ande­ren Land­krei­se in Rhein­land-Pfalz in den letz­ten zehn Jah­ren in die Schu­len inves­tiert?
Herr Dr. Streit: Das wis­sen wir eigent­lich nicht, dem­nächst wird es dazu ein öffent­li­ches digi­ta­les Ver­gleichs­por­tal geben. 

Melis­sa: Gibt es Zah­len dar­über, wie­viel Geld die ande­ren Land­krei­se in RLP in den nächs­ten zehn Jah­ren beab­sich­ti­gen zu inves­tie­ren?
Herr Dr. Streit: Man hat immer nur fünf Jah­re im Blick. Wir pla­nen län­ger und bei den ande­ren Land­krei­sen weiß man es nicht.

Son­ja: Sie schrie­ben: „Egal wie schlimm es kommt, bei Schu­len wird nicht gespart.”
In wel­chen Berei­chen wür­de denn bei­spiels­wei­se gespart wer­den (wenn etwas Schlim­mes kommt), wenn nicht bei den Schu­len?
Herr Dr. Streit: Das ist eine gute Fra­ge. Man hat viel Freu­de an frei­wil­li­gen Leis­tun­gen. Bei der Breit­band­ver­sor­gung sind wir als Kreis eigent­lich nicht zustän­dig, das ist Auf­ga­be die Orts­ge­mein­den. Wir wer­den Mit­te nächs­ten Jah­res in jedem Ort im Eifel­kreis zwi­schen 50 und 100 mbit haben. Wir wür­den auch ger­ne Glas­fa­ser in jeden Haus­halt legen. Da wir aber einen defi­zi­tä­ren Haus­halt haben, ver­bie­tet uns das unse­re Auf­sicht. Hier müs­sen wir also lei­der sparen. 

Melis­sa: Wir haben bei der Vor­be­rei­tung des Inter­views gemerkt, dass wir mit Ihren Aus­sa­gen über die gro­ßen Beträ­ge, die jetzt inves­tiert wer­den sol­len, ein­fach gar nichts anfan­gen kön­nen. Ist das viel, ist das wenig? Mit Zah­len in die­ser Grö­ßen­ord­nung ohne Bezugs­grö­ße konn­ten wir nichts anfan­gen.
Uns fiel dazu ein, dass gewis­se Par­tei­en so ihre Wahl­wer­bung auf­bau­en: da wird die monat­li­che Ren­te eines 68jährigen Deut­schen gegen­über­ge­stellt mit den Sozi­al­leis­tun­gen eines ver­hei­ra­te­ten syri­schen Flücht­lings, der zwölf Kin­der hat. Sie nut­zen die­se ver­fäl­schen­den Ver­glei­che zum Glück nicht. Wir fin­den es trotz­dem sehr pro­ble­ma­tisch, mit Zah­len ohne Bezugs­grö­ßen zu jon­glie­ren. Aber ist das rich­tig, dass in naher Zukunft rich­tig viel auch zuguns­ten unse­rer Schu­le pas­sie­ren wird, da jetzt so viel Geld für die Schu­len inves­tiert wird?
Herr Dr. Streit: Oh ja. Als ich anfing vor zehn Jah­ren, hat­ten wir einen Haus­halt von 110 Mil­lio­nen Euro und der liegt jetzt bei 160 Mil­lio­nen Euro. Für Jugend und Sozia­les sind die Aus­ga­ben von 60 Mil­lio­nen auf 90 Mil­lio­nen Euro ange­wach­sen. Dazu kom­men dann noch die Inves­ti­tio­nen. Das ist schon ein rie­si­ges Volu­men, aber es gilt, jetzt etwas zu machen.

Evin: Ihre letz­te Aus­sa­ge ist: „Hin­zu kommt die digi­ta­le Aus­stat­tung der Schu­len, die am Ende den Betrag von vier Mil­lio­nen Euro weit über­schrei­ten wird„
Da die digi­ta­le Aus­stat­tung von Schu­len sehr schnell ver­al­tet, inter­es­siert uns die Fra­ge, ob der von Ihnen genann­te Betrag in Höhe von vier Mil­lio­nen und mehr nun dau­er­haft, das heißt alle drei bis vier Jah­re zur Moder­ni­sie­rung der digi­ta­len Medi­en in den Schu­len zur Ver­fü­gung steht oder ob es sich hier­bei nur um eine ein­ma­li­ge Sum­me han­delt.
Herr Dr. Streit: Zunächst ist die­se Sum­me ein­ma­lig. Dann gibt es einen soge­nann­ten König­stei­ner Schlüs­sel. Danach wird in Deutsch­land immer alles ver­teilt. Das ist so eine Art Gerech­tig­keits­maß­stab. Danach ste­hen uns jetzt vier Mil­lio­nen Euro zu. Alle Schu­len bekom­men daher jetzt erst ein­mal eine ein­heit­li­che Grund­aus­stat­tung. Alle Schu­len bekom­men einen Giga-Anschluss.

Frau Ste­cker: Genau, und wenn dann alles ein­ge­rich­tet ist, zie­hen wir um.
Herr Dr. Streit: Nun, irgend­wo müs­sen wir begin­nen. Die Digi­ta­li­sie­rung wird unser Leben noch mehr durch­drin­gen in Zukunft. Unser jüngs­ter Sohn geht auf das Neu­erbur­ger Gym­na­si­um, das ist ein staat­li­ches also ein Lan­des-Gym­na­si­um. Dort ist die Aus­stat­tung schon vor­bild­lich. Und von daher gehe ich davon aus, dass die vier Mil­lio­nen Euro natür­lich nicht rei­chen wer­den. Wir gehen Schritt für Schritt voran.

Domi­nik: Herr Streit, am 21.09.1897 lau­te­te die Über­schrift zu einem Leit­ar­ti­kel der Zei­tung New York Sun (über­setzt) „Gibt es einen Weih­nachts­mann?“
Son­ja: Der Jour­na­list Fran­cis P. Church beant­wor­te­te die­se heik­le Fra­ge der Leser­zu­schrift der klei­nen Vir­gi­nia O Han­lon so über­zeu­gend, dass die Ant­wort noch heu­te welt­weit nach­ge­druckt wird.
Melis­sa: Des­halb inter­es­siert uns in der Vor­weih­nachts­zeit zum Schluss die Fra­ge:
Was hät­ten Sie der klei­nen Vir­gi­nia auf die­se Fra­ge geant­wor­tet?
Herr Dr. Streit: Wenn man an etwas glaubt, gibt es das.

Das Inter­view führ­ten Son­ja Esser, 10b, Evin Cev­lik, 7b, Melis­sa Belsch, und Domi­nik Hahn, bei­de 8a.
Die Bil­der­nach­wei­se ste­hen dies­mal direkt unter den Fotos.

4 Antworten auf „„Herr Dr. Streit, gibt es einen Weihnachtsmann?” IGEL-Interview mit Landrat Dr. Joachim Streit am 05.12.2019“

  1. Der Onkel hat ges­tern einen Dich­ter zitiert,
    der vor vie­len Jah­ren in Husum gelebt hat.
    „Alüber­all auf den Tannenspitzen
    sah ich gol­de­ne Licht­lein sitzen.
    Alte und Jung sol­len nun
    von der Jagd des Lebens ein­mal ruhn.
    Und mor­gen flie­ge ich hin­ab zur Erden,
    denn es soll wie­der Weih­nach­ten werden.”

    Lie­be Leh­rer, ein ruhi­ges, beschau­li­ches Weihnachtsfest
    wün­sche ich Ihnen. Blei­ben Sie gesund und von Coro­na veschont.

  2. Lie­be Lehrer,

    fro­he Weih­nach­ten, Got­tes Segen, alles Lie­be und Gute,
    auch Gesund­heit und Glück wün­schen Ihnen
    Kin­der aus Migran­ten­fa­mi­li­en von Herzen!

  3. Kom­pli­ment ich fin­de ihr habt ein super Inter­view geführt und gut recherchiert.
    allen in der Igel Redak­ti­on wün­sche ich ein schö­nes Weihnachtsfest.

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