Es war eine finstere und stürmische Nacht. Der Regen prasselte in Strömen vom Himmel und zerschnitt die Blätter der Bäume, die in dem kleinen Wald, der um das alte Dorf herum wuchsen, wie messerscharfe Rasierklingen. Der kleine Weg, der mitten durch den Wald ins Nirgendwo zu führen schien, war schon fast vollständig mit Pfützen übersät und in dem kleinen Graben seitlich des Weges hatte sich ein reißender Fluss gegraben. Noch ehe der nächste Regentropfen die Erde erreichen konnte, huschte ein schattenähnliches Wesen über den Weg, das die Wasserlachen nach allen Seiten hin aufspritzen ließ, dicht gefolgt von lauten Maschinengeräuschen und einer dunklen Männerstimme.
„Da vorne ist Sie! Los schnappt Sie! Sie darf uns nicht noch einmal entkommen!”
Dem mysteriösen Schatten dicht auf den Fersen, rannten mehrere hundert Soldaten, gefolgt von Planwagen und riesigen Panzern, die den dünnen Pfad förmlich niedermähten. An einem kleinen Schneidepunkt des Weges blieben die Soldaten stehen und schauten sich um. Der Weg teilte sich nun in zwei Abschnitte auf, zur rechten Seite rauf aufs offene Feld und nach links tiefer in den immer dunkler werdenden Wald hinein. „Wo ist sie hin?” – „Wo lang jetzt? Wir haben Sie verloren!” Ratlos tauschten die Soldaten untereinander ihre Meinung über die Situation und das weitere Vorgehen aus, als eine dunkle, raue Stimme durch die Menge schnitt und die Soldaten mit einem Mal zum Schweigen brachte.
Der Soldat, der nun auf den Plan trat, war um einiges größer und kräftiger als die anderen im Team. Seine Brust war gespickt mit silbernen und goldenen Abzeichen und auf seinem Gesicht prangte eine riese Narbe, die an der Stirn begann und quer über sein linkes Auge lief. „Was soll das Getuschel? Wir sind auf der Jagd, vergesst das nicht! Sie ist in Panik, da wird sie ja wohl kaum aufs offene Feld flüchten, oder? Also gehen wir tiefer in den Wald!”
„Aber Sir, in diesem Wald sollen bösartige Kreaturen leben, die einen angeblich mit nur einem Blick töten können…”, erwiderte nun einer der hinteren Soldaten. Dem großen Mann mit der Narbe schien diese Antwort überhaupt nicht zu gefallen. Mit strengem Blick beugte er sich zu dem Soldaten herunter, der augenblicklich zusammenzuschrumpfen schien. „Wir jagen hier ein bösartiges Monster, oder nicht?! Aber wenn Ihnen die ganze Sache natürlich zu viel wird, können Sie gerne wieder nachhause gehen.” „Wirklich?…”, fragte der immer noch eingeschüchterte Soldat und sobald der, nun deutlich als Kommandant identifizierbare Mann nickte, lächelte der Soldat und rannte an ihm vorbei, den Weg entlang in Richtung Feld.
Plötzlich fiel ein Schuss und der junge Mann sackte augenblicklich zu Boden. Der Kommandant hatte Ihn mit einem Schuss in den Rücken getötet. Schweigen machte sich unter den Männern breit. Sie konnten nicht glauben, was sie gerade gesehen hatten. „Und das passiert mit Feiglingen!”, erwiderte der Kommandant. „Möchte vielleicht noch jemand nachhause? Nur zu.” Alles schwieg. „Ich will euch jetzt mal etwas über mich erzählen”, setzte der Mann seine Rede fort. „Seht Ihr diese Narbe? Die habe ich von denen, als ich nur versucht habe, einem von diesen gottverdammten Kreaturen zu helfen. Seitdem habe ich mir zur Aufgabe gemacht, sie alle zu erledigen. Die Amuri werden büßen für alles, was sie mir angetan haben. Ich habe sie schon alle erledigt! Alle, bis auf dieses Mädchen! Ich gehe hier nicht weg, bis auch es von der Bildfläche verschwunden ist! Ist das klar?! Das sind widerliche, herzlose Kreaturen, die an nichts anderem interessiert sind als am Töten! Sie sind nicht wie wir, sie haben es nicht verdient zu leben!”
Er wartete die Antworten nicht mehr ab und führte die Männer weiter in den Wald. Das Amuri-Mädchen hatte sich hinter einem Baum versteckt und alles mitangehört. Sie dachte an ihren Clan, ihre kleine Schwester, ihre Mutter, an alle, die sie hatte sterben sehen müssen, und während sie immer tiefer in den Wald rannte, flossen ihr die Tränen über die Wangen. Womit hatte sie das nur verdient?
Fortsetzung folgt…
Sonja Esser, 10b
süße maus
häshtäg e‑girl