75 Jahre Kriegsende – ein Zeitzeugenbericht

Hel­mut (heu­te 89 Jah­re) mit sei­ner Frau Christa

Es ist das Jahr 1945. Deutsch­land liegt in Schutt und Asche, 6,3 Mil­lio­nen Tote.  Der Zwei­te Welt­krieg ist been­det. Einer­seits Erleich­te­rung. Aber die meis­ten Men­schen ste­hen vor dem Nichts. Im Novem­ber vor genau 75 Jah­ren began­nen die Nürn­ber­ger Pro­zes­se, um die Ver­ant­wort­li­chen zur Rechen­schaft zu ziehen.

Aus aktu­el­lem Anlass ver­öf­fent­li­chen wir die Erin­ne­run­gen eines Zeit­zeu­gen an die letz­ten Kriegs­jah­re. Zudem gra­tu­lie­ren wir ganz herz­lich: Unser Zeit­zeu­ge fei­er­te näm­lich vor Kur­zem sei­nen 89. Geburtstag.

Auf zur Zeitreise:

Hel­mut Ste­cker (damals 13 Jah­re) berich­tet:
Zir­ka drei Wochen, bevor die Ame­ri­ka­ner Horn ein­nah­men, muss­ten sich alle Jun­gen, die 15 Jah­re alt waren, mel­den. Sie soll­ten von Sol­da­ten in Fuß­mär­schen hin­ter die Weser geführt wer­den, um nicht den Ame­ri­ka­nern in die Hän­de zu fal­len. Unser Lehr­ling Wil­fried Schlü­ter und ande­re ver­schwan­den im Wald vor Barn­trup und schli­chen sich abseits der Stra­ßen wie­der nach Hau­se und ver­steck­ten sich.

Hel­mut Ste­cker 1943 in Uni­form der Hit­ler-Jugend vor dem elter­li­chen Laden (Pols­te­rei und Satt­le­rei) im Spiel­manns­zug der HJ
Die wei­ter mit­mar­schier­ten, wur­den jen­seits der Weser in einer Schu­le unter­ge­bracht. Dabei waren Frie­del Rudolf, Fried­rich Ben­kel­berg, Gün­ther Nee­se und ande­re. Der Vater von Gün­ther Nee­se war bei den Feld­jä­gern (=Mili­tär­po­li­zei). Die­se tru­gen eine Ket­te mit Abzei­chen auf der Brust. Des­halb hie­ßen sie auch „Ket­ten­hun­de”. Vater Nee­se kam mit einer Maschi­nen­pis­to­le vor dem Bauch auf sei­nem Krad mit Bei­wa­gen zu die­ser Schu­le. Im Bei­wa­gen hat­te er Lebens­mit­tel für Sohn Gün­ther und sei­ne Kame­ra­den. Als die Jun­gen von den Ame­ri­ka­nern erreicht wur­den, hat man sie sofort ent­las­sen. Sie waren ja nicht in Uni­form und auch noch nicht vereidigt.

Bevor mein Vater 1939 Sol­dat wur­de, hat­te er noch Her­bert Klein­schlö­mer aus Schlan­gen als Lehr­ling ein­ge­stellt. Hein­rich Win­ne­feld war bei uns als Meis­ter, wur­de dann aber auch Sol­dat. Her­bert mach­te eine Not-Gesel­len­prü­fung, wur­de auch Sol­dat und kam nach Ita­li­en. Als die Ame­ri­ka­ner dort lan­de­ten, woll­te er nicht in Gefan­gen­schaft. Also trenn­te er sich von sei­ner Uni­form und besorg­te sich Zivil­klei­dung und ein Fahr­rad mit einem Spa­ten dar­an und fuhr so in vie­len Tages­etap­pen unbe­hel­ligt nach Hau­se. Nach kur­zer Pau­se wur­de er wie­der bei uns ein­ge­stellt. Eini­ge Wochen spä­ter muss­ten alle jun­gen Män­ner zu einer Kon­trol­le. In sei­nen Wehr­pass bekam er den Stem­pel „Deser­teur”.

Fami­lie Ste­cker ca 1939: Frie­da, Hel­mut, Wil­ly und Irmgard

Wir hat­ten einen aus­ge­bau­ten Luft­schutz­kel­ler. Der Kel­ler war tief und dar­über waren zwei Beton­de­cken. Zusätz­lich war die­ser Raum mit Höl­zern gesi­chert. Das waren senk­rech­te Stäm­me und oben Bal­ken in engem Abstand. Die­se waren mit Eisen ver­stärkt, damit sie bei Bom­ben­ab­wür­fen nicht umfie­len. Jede Fami­lie aus der Nach­bar­schaft hat­te sich eine Ecke „gemüt­lich” ein­ge­rich­tet. Bei Vor­alarm muss­te ich immer die Haus­tür auf­schlie­ßen, weil die Nach­barn kamen.

In den letz­ten Tagen vor dem Horn­schen Kriegs­en­de sah ich eine Grup­pe rus­si­scher
Kriegs­ge­fan­ge­ner, die von bewaff­ne­ten deut­schen Sol­da­ten von West nach Ost durch Horn getrie­ben wur­den. Man gönn­te ihnen wohl nicht, schon eini­ge Tage eher befreit zu wer­den. Die­se Grup­pe war ein Elends­hau­fen. Sie waren zer­lumpt. Eini­ge muss­ten gestützt wer­den, weil sie nicht mehr allei­ne lau­fen konn­ten. Auf dem Markt­platz hat­te Chris­ti­an Gei­se einen Wagen mit Steck­rü­ben ste­hen, von dem sich jeder Rus­se einen neh­men durf­te. Die­se Epi­so­de hat mich damals sehr bedrückt.

Mein Vater soll­te mit den Horn­schen Volks­sturm die Extern­stei­ne ver­tei­di­gen. Kurz vor den Ame­ri­ka­nern kam eine SS-Ein­heit. Deren Offi­zier schick­te den Volks­sturm nach Hau­se mit der Bemer­kung: „Wenn die Amis euch sehen, kön­nen sie vor Lachen nicht schie­ßen”. Die Ame­ri­ka­ner kamen aber nicht wie gedacht über die Klei­ne Egge, son­dern über den Holz­hau­ser Berg nach Horn. Die Pan­zer­sper­re an der Klei­nen Egge und die Ver­tei­di­gungs­an­la­gen am Mar­ken­berg und auf dem Kni­cken­ha­gen waren umsonst errich­tet worden.

Hel­mut Ste­cker mit sei­nen gelieb­ten Kaninchen

Horn wur­de von einer Kom­pa­nie Infan­te­rie ver­tei­digt. Es war ein ver­lust­rei­cher Kampf. Die deut­schen Toten blei­ben noch eini­ge Tage in den Stra­ßen lie­gen. Die Amis nah­men ihre gleich mit.

Zwei Häu­ser wur­den in Brand geschos­sen: Pum­pen-Busch, Herr­stra­ße, und unser Nach­bar­haus Lan­ge. Wäh­rend es brann­te, kam Opa Lan­ge, der als ein­zi­ger im Hau­se geblie­ben war, in unser Haus gerannt, um Hil­fe zu holen. Eine jun­ge Frau bei uns im Kel­ler dach­te, es wären die Amis und sie wür­de nun ver­ge­wal­tigt. Sie ver­steck­te sich im hin­te­ren Kel­ler. Als nicht mehr geschos­sen wur­de, ver­such­ten wir den Brand zu löschen. Doch Lan­ges Haus brann­te rest­los ab.

Als sich alles beru­higt hat­te, sag­te mei­ne Mut­ter: „Gott sei Dank. Der Krieg ist für uns vor­bei!” und wisch­te das Trep­pen­haus von oben nach unten. Als sie fer­tig war, kam ein Trupp Ame­ri­ka­ner und besetz­te unser Haus. Wir muss­ten in fünf Minu­ten raus sein. In der Auf­re­gung nah­men wir Sachen mit, die völ­lig unwich­tig waren. Mei­ne Schwes­ter nahm Kla­vier­no­ten mit und mei­ne Mut­ter eine zer­bro­che­ne Brot­scha­le. Im Haus Gei­se am Markt­platz war die Woh­nung vom Lei­ter der Spar- und Dar­le­hen­kas­se Die­ke­wied leer. Herr Die­ke­wied war Sol­dat und sei­ne Fami­lie war bei Ver­wand­ten. Hier kamen wir unter. Wir schlie­fen auf dem nack­ten Fuß­bo­den. Mei­ne Mut­ter ging täg­lich zwei­mal in unser Haus und ver­sorg­te das Vieh. Nach eini­gen Tagen kam sie auf­ge­regt zurück und rief: „Sie sind weg!” Wir gin­gen sofort zurück und fan­den ein gro­ßes Durch­ein­an­der vor. Alle Schub­la­den waren her­aus­ge­ris­sen und der Inhalt lag mit­ten im Zim­mer. Alle mit­nehm­ba­ren Wert­sa­chen fehl­ten. Den bei­den Häh­nen hat­ten die Amis die Schwän­ze abge­schnit­ten. Auf dem Werk­statt­tisch waren mit hun­der­ten von Gurt­nä­geln die Buch­sta­ben „USA” gena­gelt. Auf dem Schreib­tisch lag noch unse­re Post, die noch alle mit „Heil Hit­ler” unter­schrie­ben war. Die Amis hat­ten über­all Hit­ler durch­ge­stri­chen und dafür Roo­se­velt geschrieben.

Heinz Thies, mei­ne Schwes­ter Irm­gard und ich hat­ten jeden Sams­tag­nach­mit­tag Kla­vier­un­ter­richt bei Kir­chen­mu­sik­di­rek­tor Otto Mül­ler-Dau­be. Als wir noch kein Kla­vier hat­ten, fand der Unter­richt bei Thies auf dem Saa­le statt. Kurz vor Ende des Kriegs brach­te Mül­ler-Dube zwei wer­vol­le Gei­gen zu uns. Er mein­te, bei zu erwar­ten­den Kriegs­hand­lun­gen wären sie in Horn siche­rer als bei ihm in Det­mold. Das war ein Irr­tum Horn wur­de ver­tei­digt, Det­mold nicht. Als die Amis unser Haus besetz­ten, bra­chen sie die sta­bi­len Gei­gen­käs­ten auf und spiel­ten gekonnt Gei­ge. Als wir unser Haus ver­las­sen muss­ten, hör­ten wir im Wohn­zim­mer Kla­vier, Gei­ge und Gesang. Sie spiel­ten und san­gen den deut­schen Schla­ger „Lili Mar­leen”. Die­ser Schla­ger war, wie ich spä­ter las, bei den Amis sehr beliebt (und hat­te auch einen eng­li­schen Text bekom­men, den Mar­le­ne Diet­rich schon 1942 im Radio sang). Im deut­schen Sol­da­ten­sen­der Bel­grad sang Lale Ander­son jeden Abend um 22 Uhr zum Abschluss des Tages­pro­gramms die­ses Lied. Der Sen­der war in ganz Euro­pa zu emp­fan­gen. (Lale Ander­son hat­te nach Abschluss ihrer Kar­rie­re auf Lan­ge­oog ein Café, das sie natür­lich „Lili Mar­leen” nannte.)

Hel­mut Ste­cker, ca. 1944

Eini­ge Tage nach der Ein­nah­me von Horn und Lip­pe durch die Ame­ri­ka­ner kam Bau­er Beins aus Hor­nol­den­dorf mit sei­nem Plan­wa­gen zu uns und brach­te den Wagen voll Leder­rie­men. Die­se waren vom Deut­schen Mili­tär bei ihm ein­ge­la­gert wor­den. Er mein­te, wir könn­ten die Rie­men wohl gut in der Satt­le­rei ver­wer­ten. An allen Rie­men­spit­zen waren Haken­kreu­ze ein­ge­prägt. Von uns fuhr er wei­ter nach Rischen­au, um sei­nen toten Sohn zu holen, der dort bei den Kampf­hand­lun­gen erschos­sen wor­den war. Am Bahn­hof in Horn stand ein Güter­zug. Die­ser war von frei­ge­kom­me­nen rus­si­chen Kriegs­ge­fan­ge­nen auf­ge­bro­chen und geplün­dert wor­den. Wir Jun­gen betei­lig­ten uns eben­falls an der Plün­de­rung. Ich brach­te jede Men­ge Zir­kel, die wir heu­te noch benut­zen, mit nach Hause.

In der alten Schu­le hat­te die Orga­ni­sa­ti­on Todt ein Depot ein­ge­rich­tet. Von dort hol­te ich Mas­sen an Uni­form­knöp­fen, die wir in der Pols­te­rei ver­wer­ten konn­ten. In der Möbel­fa­brik Brand in Leo­pold­s­tal war ein gro­ßes Lager mit Näh­ma­schie­nen, Auto­pla­nen mit Tarn­auf­druck und Lei­nen. Das alles ließ der ers­te Nach­kriegs­bür­ger­meis­ter, August Töl­le, zu uns schaf­fen. Mein Vater muss­te an sei­ne Kol­le­gen Reu­ter, Fel­brich und Ste­cker alles ver­tei­len. Von der Pla­ne näh­te ich mir mein ers­tes Zelt. Das Roh­lei­nen brach­ten wir zum Fär­ben zum Blau­fär­ber Klein­sor­ge in Schwa­len­berg. In vie­len Stra­ßen­grä­ben lagen Tele­fon­ka­bel. Die von den Amis waren dün­ner und geschmei­di­ger. Wir hol­ten uns vie­le hun­dert Meter und ver­ar­bei­ten sie zum Schnü­ren der Tail­len­fe­dern in unse­rer Polsterei.

Wir Jun­gen streif­ten durch Wald und Feld. Über­all lagen weg­ge­wor­fe­ne Uni­for­men, Waf­fen und Pan­zer­fäus­te. Auf dem Pün­gels­berg und hin­term Kni­cken­ha­gen stan­den Flug­ab­wehr­ge­schüt­ze. Die inter­es­sier­ten uns beson­ders, weil sie noch dreh­bar waren. Das Han­tie­ren mit Muni­ti­on war gefähr­lich. Fritz Schön­lau aus dem Schaf­stall und Rede­cker aus der Hel­le waren unge­fähr so alt wie ich (13 Jah­re). Sie spiel­ten mit Muni­ti­on. Dabei kam es zu einer Explo­si­on. Schön­lau wur­de schwer ver­letzt und Rede­cker starb.

Soweit die Erin­ne­run­gen von Hel­mut Ste­cker, auf­ge­schrie­ben von Armin Lepage, 9a
Text: Armin Lepage, 9a
Fotos: pri­vat

15 Antworten auf „75 Jahre Kriegsende – ein Zeitzeugenbericht“

  1. Lie­be Frau Stecker,

    es ist immer schwer, einen gelieb­ten Men­schen zu verlieren,
    aber wohl ganz beson­ders _ den eige­nen Vater.
    Zu den Kon­stan­ten, die alle Men­schen mit­ein­an­der verbinden,
    gehört die Schmerz­er­fah­rung. Schmerz und Trau­er begleiten
    jeden Men­schen von der Wie­ge bis zum Grab.
    Wir haben im Unter­richt oft über das The­ma Leben und Tod gespro­chen. Tod ist der not­wen­di­ge Aus­gang des Lebens.
    Jeder von uns ist der Natur einen Tod schul­de. Tod ist natürlich,
    unab­leug­bar, unver­meid­lich und wird in jeder Kul­tur als
    beson­de­res Erg­e­inis erfahren.
    Unse­re Gedan­ken sind bei Ihnen, lie­be Frau Stecker.

  2. Gebo­ren bin ich im Novem­ber 1945, also etwa ein hal­bes Jahr nach Kriegs­en­de in Geblonz an der Nei­ße, das heu­te in Tsche­chi­en liegt, damals aber die Hei­mat vie­ler Deut­schen war, des soge­nann­ten Sudetendeutschen.

    Mein Vater war damals bereits in tsche­chi­scher Gefangenschaft.
    Mei­ne Mut­ter wur­de zu Beginn des Jah­res 1946 aus­ge­wie­sen. Sie gehör­te mit ihren bei­den Kin­dern zu einer Grup­pe von Deut­schen, die nach dem ver­lo­re­nen Krieg aus dem Land
    ver­trie­ben wur­den, in dem sie vor­her seit Gene­ra­tio­nen mit ihren Fami­li­en gelebt hatten.

    Zusam­men mit einer Kis­te, in die sie die nötigs­ten Sachen hat­te packen kön­nen, wur­den sie mit uns zwei Kin­dern und ande­ren Deut­schen in einen Güter­wa­gon ver­frach­tet und Rich­tung Wes­ten bis zur Gren­ze der rus­sisch besetz­ten Zone Deutsch­lands gebracht.

    Mei­ne Mut­ter, die eine sehr schö­ne Sopran­stim­me hatte,
    und sich auch immer allen Kum­mer und Sorgen
    von der See­le sin­gen konn­te, tat das auch zu Beginn die­ser unfrei­wil­li­ger Rei­se. Auf ihre Kis­te sit­zend sang sie ein Lied mit dem Titel „Hei­mat­land” und trieb damit allen mitreisenden
    Trä­nen in die Augen.

    Ich hat­te gro­ßes Glück, dass ich die­se Fahrt über­haupt über­stan­den habe, nicht zuletzt wohl des­halb, weil mei­ne Mut­ter mich über 24 Stun­den in den Armen gehal­ten hatte.
    Die Zug­fahrt ende­te in einem Dorf in Thü­rin­gen, in der damals von Rus­sen besetz­ten Zone, aus der spä­ter dann die DDR wurde.
    Mei­ne Mut­ter fand als Letz­te von allen Leu­ten, die dort ein­quar­tiert wer­den muss­ten, schließ­lich Unterkunft
    mit uns bei­den Kin­dern in einer eis­kal­ten Kam­mer, die mit einem klei­nen Offen beheizt wer­den konn­te, wenn man Holz bekam.
    Nachts gefror das Was­ser im Eimer bis zum Grund.
    Nur weil wir alle zusam­men in einem Bett geschla­fen haben,
    konn­ten wir die Käl­te trotzen.
    Mei­ne Mut­ter hat­te das Glück, dort lie­be Men­schen zu fin­den, die ihr hal­fen die­sen stren­gen Win­ter zu überleben.

    Es dau­er­te dann noch etwa 2 Jah­re, bis mei­ne Groß­el­tern uns
    nach West­deutsch­land holen konn­ten, wo sie als Flücht­lin­ge in einem altem pro­tes­tan­ti­schem Pfarr­haus eine Woh­nung gefun­den hat­ten. Mei­ne ers­ten eige­nen Erin­ne­run­gen sind mit die­sem Haus verbunden.

  3. Vor 75 Jah­ren _ Kriegs­en­de in der Westeifel

    Viel­zahl von Luft­an­grif­fen der alli­ier­ten Bom­ber zerstörte
    die Städt­chen in der West- und der Süd­ei­fel, aber auch St. Vith.
    Die über Sau­er und Our zurück­ge­hen­den Rest­trup­pen­tei­le der Wehr­macht ver­moch­ten es nicht mehr,
    eine Ver­tei­di­gung an der Reichs­gren­ze aufzubauen.
    Zunächst grif­fen die US-Divi­sio­nen aus Südost-Belgien
    gegen die Schnei­fel an.
    Die Hoch­was­ser füh­ren­den Flüs­se Our und Sauer
    waren zu überwinden.
    Nach der Über­que­rung der Sau­er bei Weilerbach
    konn­ten US-Divi­sio­nen rasch auf Bit­burg vor­sto­ßen. Sie erober­ten ein Trümmerfeld.
    Die aus Glervaux her­an­ge­führ­te US-Divi­si­on konn­te die Our
    über eine leich­te Pon­ton­brü­cke überqueren
    und das zer­stör­te Das­burg einnehmen.
    Am 24 Febru­ar wur­de Dalei­den erreicht, damals Sitz der Amts­ver­wal­tung. Als Sym­bol der Inbesitznahme
    hiss­te ein US-Sol­dat an die­sem Gebäu­de die US-Flagge
    und die Mili­tär­re­gie­rung rich­te­te hier
    die ers­te Ver­wal­tungs­stel­le auf deut­schem Boden ein.

    West­li­cher Mann fühlt sich der Erin­ne­rungs­kul­tur Verpflichtet!
    Des­halb soll­te an die Tage der Besat­zung erin­nert werden,
    an die Zeit, für die es nur noch weni­ge Zeit­zeu­gen gibt.

  4. Ich bin ein ehe­ma­li­ger bri­ti­scher Sol­dat und lebe jetzt in Rem­mig­hau­sen. Ich habe gro­ßes Inter­es­se am Ende des Zwei­ten Welt­kriegs und möch­te unbe­dingt die Berich­te der Men­schen aus die­ser Zeit lesen. Gibt es noch etwas Ähnliches?

  5. In unse­rer Woh­nung hat­ten wir kei­ne Hei­zung, son­dern nur einen Koh­len­herd in der Küche, auf dem gekocht wur­de. Die ande­ren Räu­me waren nicht beheizt. Nur am Hei­lig­abend (24. 12.) wur­de noch im Wohn­zim­mer der Ofen ange­macht. Mit mei­ner Mut­ter habe ich im Wald Rei­sig (klei­ne tro­cke­ne Äste) und Holz gesam­melt. Außer­dem haben wir flei­ßig Buch­eckern auf­ge­ho­ben. Die­se wur­den zu einer Ölmüh­le gebracht denn ande­re Spei­se­öle waren knapp. Aus den gesam­mel­ten Wald­bee­ren (Hei­del­bee­ren), Him- und Brom­bee­ren koch­te mei­ne Mut­ter Marmelade. 

    In der dama­li­gen Zeit wur­de mög­lichst nichts weg­ge­wor­fen; kei­ne Lebens­mit­tel und auch kei­ne Klei­dung, die immer wie­der aus­ge­bes­sert und gestopft wur­de. Manch­mal konn­te man sagen: Loch an Loch und hält doch. 

    Die Jun­gen tru­gen damals eine kur­ze Leder­ho­se. Die­se war zwar teu­er, aber eine Anschaf­fung fürs leben. Sie wur­de ver­erbt: vom älte­ren Bru­der an den jün­ge­ren usw. Am Run­ter­rut­schen wur­de sie von Hosen­trä­gern gehin­dert. Der Jun­ge muss­te ja „rein­wach­sen”. Der Vor­teil die­ser Hose war, dass sie nicht gewa­schen und aus­ge­bes­sert wer­den musste. 

    Auch spür­ten die Jun­gen nicht so stark die Stock­hie­be des Leh­rers wenn sie bestraft wur­den. Mein Grund­schul­leh­rer hat ein ein­zi­ges Mal einem Jun­gen den „Hin­tern ver­sohlt”, weil er etwas gestoh­len hat­te. Die Prü­gel­stra­fe in den Schu­len wur­de erst 1966 oder 1967 in Nord­rhein-West­fal­len ver­bo­ten. Die sons­ti­gen Stra­fen bestan­den aus: in der Ecke ste­hen, zusätz­li­che Haus­auf­ga­ben, Nach­sit­zen mit Zusatz­auf­ga­ben, Klas­sen­raum auf­räu­men usw.

  6. His­to­ri­scher Hin­ter­grund: Am 8. Mai war der Zwei­te Welt­krieg zu Ende. Waf­fen schwei­gen. Man nennt die­sen Tag auch „Stun­de Null”. Die Sie­ger waren die USA, Sowjet­uni­on, Groß­bri­tan­ni­en und Frankreich.
    Wie auf der Kon­fe­renz von Jal­ta im Febru­ar 1945 beschlos­sen, wird Deutsch­land in 4 Besat­zungs­zo­nen auf­ge­teilt. Als Amts­spra­che gilt die Spra­che jewei­li­gen Besatzungsmacht.

    Die Men­schen leb­ten wirk­lich in Trümmern.
    Die Rui­nen ver­schwin­den in einem Jahr­zehnt. Ein ame­ri­ka­ni­sches Rei­se­bü­ro emp­fiehlt 1958 den Kun­den: „Beeilt euch Deutsch­land zu besu­chen, sonst wer­det ihr kei­ne Rui­nen mehr sehen”.

  7. Lei­der gab es in unse­rer Fami­lie eine trau­ri­ge Geschich­te zum Kriegsende.
    Mein Vater war bis 1945 in ame­ri­ka­ni­scher Gefan­gen­schaft. Mei­ne Mut­ter war mit der gemein­sa­men Toch­ter Susan­ne in Rom­mers­heim bei ihren Eltern, zwei Schwes­tern und einem Bru­der, weil sie nicht allei­ne in Prüm, in der klei­nen Woh­nung sein wollte.
    Bei einem Bom­ben­an­griff ging mei­ne Mut­ter bei Alarm mit der Oma und dem Opa in den Schutz­kel­ler gegen­über. Die bei­den Tan­ten gin­gen mit der klei­nen 4‑Jährigen Nich­te nach. Aber die klei­ne Sus­sa­ne woll­te unbe­dingt noch eine Pupe holen.
    Als die drei dann end­lich in den Schutz­kel­ler woll­ten, deto­nier­te in dem Moment eine Bom­be nach der ande­ren in der Nähe. Bei­de Tan­ten ver­lo­ren 1 Auge und die klei­ne Susan­ne ver­lor auf bei­den Augen das Augen­licht, war also blind.
    Die bei­den Tan­ten und die klei­ne Susan­ne kamen nach Bad-Neu­en­ahr ins Laza­rett, dort ist Susan­ne 2 Tage spä­ter verstorben.
    Als mein Vater 2 Mona­ten spä­ter nach Hau­se kam, war er auch ver­wun­det. Die Fami­lie hat alles dafür gemacht, um die klei­ne Susan­ne nach Rom­mers­heim zu holen. Und dort wur­de sie beigesetzt.
    1948 kamen noch eine Toch­ter, 1949 und 1951 noch zwei Mäd­chen, 1952 mein Bru­der und 1956 noch eine Toch­ter auf die Welt.
    Ganz oft haben mei­ne Eltern gesagt, auch wenn man noch zehn Kin­der bekom­men wür­de, das ers­te Kind (das ver­lo­re­ne Kind)
    kann man nie vergessen.
    Es gab solan­ge die Eltern gelebt haben, immer ein Geden­ken an dem Geburts­tag und an dem Todestag.
    Krieg bringt immer Elend für alle Menschen.

  8. Mein Vater Edmund Mühl­au ist 1927 in Dan­zig gebo­ren und auf­ge­wach­sen. Zu der Zeit gehör­te Dan­zig zu Deutsch­land, heu­te heißt die Stadt Gdausk und liegt in Polen.
    Als Jugend­li­cher muss­te er schon in den Krieg zie­hen und sich nach Kriegs­en­de allein mit 18 Jah­ren in den Wes­ten aus­schla­gen, wäh­rend sei­ne Mut­ter aus Dan­zig ver­trie­ben wur­de und nach Mag­de­burg geflo­hen ist.
    Mein Vater hat so viel schlim­mes erlebt, dass er nie ger­ne dar­über gespro­chen hat.
    Sei­ne Hei­mat hat er bis zu sei­nem Tod vermisst.

  9. „Der Scho­ko­la­den­on­kel”
    /nach dem Lehr­buch „Basis­wis­sen Deutschland”/

    „Im Som­mer 1948 war ich 10 Jah­re alt, also ein klei­nes Mäd­chen. Ich und mei­ne Mut­ter wohn­ten damals bei mei­ner Tan­te in Her­mes­dorf, einem Stadt­teil von Ber­lin. Unser eige­nes Haus in Schar­lot­ten­burg wur­de durch Bom­ben zer­stört. In unse­rer Stra­ße blieb nur ein ein­zi­ges Haus ste­hen. Ja, ein ein­zi­ges Haus.
    Mei­ne Mut­ter und die Tan­te muss­ten jeden Tag in die Arbeit. Sie muss­ten die Trüm­mer der kaput­ten Häu­sern weg­räu­men. Stein für Stein. Alle Frau­en zwi­schen 15 und 50 Jah­ren muss­ten das machen.
    Ich war den gan­zen Tage lang in der Schu­le. Ich bin gern dort­hin gegan­gen, denn dort gab es jeden Tag ein war­mes Essen. Zu Hau­se konn­ten wir nur zu bestimm­ten Zei­ten kochen. Die Ener­gie war zu knapp, weil die Gren­ze zu den West­zo­nen geschlos­sen war. Nie­mand konn­te über die Gren­ze fahren.
    Alles, was wir brauch­ten, auch Koh­len und das Essen, wur­de nach Ber­lin mit Flug­zeu­gen aus West­deutsch­land gebracht.
    Die Flug­zeu­ge, die das Essen brach­ten, flo­gen über unser Haus und unse­ren Garten.
    Dort gab es ein beson­de­res Flug­zeug, das Süßig­kei­ten und Scho­ko­la­den abge­wor­fen hat. Ich hab lei­der nie was bekom­men und Scho­ko­la­de gab es nur auf dem Schwarzmarkt.
    Ich habe mich ein­fach hin­ge­setzt und an den Pilo­ten einen Brief geschrieben:
    „Lie­ber Scho­ko­la­den­on­kel, kannst du nicht mal eine Scho­ko­la­de über unse­rem gar­ten abwerfen?”
    Ich habe ihm genau beschrie­ben, wie unser Gar­ten aus­sieht und dass es dort wei­ße Hüh­ner gibt.
    Dann hab ich jeden Tag im Gar­ten nach den Scho­ko­la­den gesucht.”

  10. Erin­ne­rungs­kul­tur und Vergangenheitsaufarbeitung

    Hel­mut Ste­cker berich­tet über sei­ne Zeit. Dienst­pflicht, Tod und Über­le­ben, in Trüm­mern lie­gen­de All­tags­welt – hat er mit­er­lebt. Es gab nicht viel, wor­an man sich fest­hal­ten konnte.
    Das Ende des Krie­ges war zugleich der Beginn des neu­en Zeit­al­ters. Alles muss­te von vor­ne, wie­der von Null auf­ge­baut wer­den. Die Nach­kriegs­zeit war vom Wie­der­auf­bau der Städ­te und Dör­fer geprägt und dar­auf darf die Gene­ra­ti­on von Hel­mut Ste­cker zu recht stolz sein.
    Heu­te gibt es noch welt­weit direk­te Wider­spie­ge­lung der gesell­schaft­li­chen Rea­li­tät von 1945: Käl­te und Hun­ger, Krie­ge, Umwelt­zer­stö­rung. Und die Welt schaut mit Hoff­nung auf das Hei­mat­land von Hel­mut Stecker.

  11. Wol­len wir hof­fen, so etwas nicht mehr zu erleben!

    Frie­da, gebo­ren 1948 in Ahr­wei­ler erzählt:
    Die Ame­ri­ka­ner haben Milch­pul­ver an einem Haus­arzt für sei­ne Pati­en­ten gege­ben. Der Haus­arzt hat die­se Milchpulver
    mei­ner Mut­ter gegeben
    und damit habe ich überlebt.

    Agnes, gebo­ren 1925
    1944, im Herbst vor Kriegs­en­de ging es den Leu­ten hier sehr schlecht. Durch die stän­di­ge Bom­bar­die­rung konn­te die Ern­te nicht ganz ein­ge­fah­ren wer­den und auch die Kar­tof­fel konn­ten nicht geern­tet werden.
    Die ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten gin­gen von Haus zu Haus und trie­ben alle Leu­te, die nicht inzwi­schen geflüch­tet waren,
    zusam­men. Dann wur­den alle regis­triert und auf ver­schie­de­ne Häu­ser ver­teilt, wo sie blei­ben mussten.
    Mor­gens und abends durf­ten die Leu­te, die Vieh hat­ten nach Hau­se, um zu mel­ken und das Vieh zu versorgen.
    Als die Ame­ri­ka­ner hier abzogen,
    wur­den wir fran­zö­si­sche Besat­zungs­zo­ne. Da wur­de es ganz schlimm. Wir konn­ten zwar zurück in unse­re Häuser,
    aber vie­les war durch Bom­ben zer­stört und wir waren bettelarm.
    Trotz­dem ver­lang­ten die Fran­zo­sen, dass wir ihnen Lebens­mit­tel und Vieh abge­ben muss­ten, obwohl wir selbst kaum etwas hatten.
    Es gab Sup­pe aus Gers­ten­schrott und wir hat­ten Milch und But­ter und konn­ten Brot backen.
    Es gab weder Salz noch Zucker, aber alle hal­fen sich gegen­sei­tig, um die schwie­ri­ge Zeit zu überleben. 

    Mat­thi­as, gebo­ren 1929
    Ich war an dem Tag, als die Ame­ri­ka­ner kamen, bei mei­nem Opa. Frau­en und Kin­der waren in den Harz geflüchtet.
    Opa und ich waren zu Hau­se geblie­ben, um das Vieh zu versorgen.
    An die­sem Tag hör­ten wir aus der Fer­ne Geräusche,
    die uns unbe­kannt waren. Um bes­ser sehen zu kön­nen, klet­ter­te ich In der Scheu­ne zum Fens­ter hoch und sah
    „ein schwar­zes Meer” an Sol­da­ten auf der Anhö­he. Opa und ich wur­den sofort mit­ge­nom­men, durf­ten nicht mehr ins Haus und konn­ten noch nicht mal etwas zu Anzie­hen mitnehmen. 

    Aus allen ande­ren Häu­sern wur­den eben­falls die Leu­te zusammengetrieben.
    Der gan­ze Tross unter bewaff­ne­ter Beglei­tung der ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten muss­te zu Fuß in den Nach­bar­ort gehen.
    Dort wur­den alle Per­so­nen regis­triert und eini­ge Tage festgehalten.
    Danach durf­ten aber alle wie­der zurück in ihre Häuser.

    Inge, gebo­ren 1935
    Im Herbst 1944 und zu Beginn des Jah­res 1945 wur­de mei­ne Hei­mat stark bombardiert.
    Nachts schlie­fen wir und vie­le Leu­te aus unse­rer Stra­ße zur Sicher­heit immer im Kel­ler der Schu­le, die in unse­rer Nach­bar­schaft war. 

    Tags­über wur­de die Arbeit in der Land­wirt­schaft und mit Vieh gemacht.
    As die ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten kamen, wur­den alle aus den Kel­lern und Häu­sern zusam­men­ge­trie­ben und in eine Gaststätte
    gebracht. Bet­ten gab es kaum. Um nicht auf dem Boden zu schla­fen, haben wir mit 4 Per­so­nen in einem Bett gelegen. 

    Mei­ne Fami­lie hat­te Glück. Da die Schreib­stu­be der Ame­ri­ka­ner in unse­rem Haus war, durf­ten wir eher in unser haus zurück. 

    Ganz schreck­lich für mich war:
    als wir im Geleit­zug durch das Dorf getrie­ben wur­den, muss­ten wir an den deut­schen Sol­da­ten, die fest­ge­nom­men waren, vor­bei. Sie wur­den von schwer bewaff­ne­ten Sol­da­ten bewacht und anschlie­ßend in Gefan­gen­schaft gebracht.

  12. Es gab eine gro­ße Woh­nungs­not. Ich kann mich dar­an erin­nern, dass Kino auf­ge­räumt wor­den ist und in dem gro­ßen Raum Lei­nen gespannt waren, an denen Decken auf­ge­hängt waren. Zwi­schen die­sen Decken haben Fami­li­en „gehaust”.
    Mei­ne Eltern und ich waren in einem Ein­fa­mi­li­en­haus unter­ge­bracht. Es wohn­ten dort im Erd­ge­schoss die Eigen­tü­me­rin mit ihrem erwach­se­nen Sohn, in der ers­ten Eta­ge mei­ne Eltern und ich, auf dem Dach­bo­den eine Fami­lie aus Schle­si­en mit 5 oder 6 Kin­dern. Im gan­zen Haus gab es nur ein Badezimmer. 

    Lebens­mit­tel waren knapp. Die Art und Men­ge wur­de zuge­teilt. Mei­ne Schwie­ger­mut­ter hat mir erzählt, dass mein Mann als klei­ner Jun­ge aus sei­nem Bett­chen geklet­tert ist und hat die letz­te Schei­be Brot, die Fami­lie noch hat­te, auf­ge­ges­sen hat. Das Brot soll­te sein Vater am nächs­ten Tag mit zu sei­ner zehn­stün­di­ger Arbeit in einer Draht­zie­he­rei nehmen.

    Mein Vater fuhr oft zum „Hams­tern”. Das bedeu­tet, dass er mit Bau­ern Schmuck oder ähn­li­ches gegen Kar­tof­feln, Eier, Mehl usw. getauscht hat. Manch­mal durf­te ich mit ihm fah­ren. Dann muss­ten wir erst an einem Pan­zer vor­bei und dann durch den Wald radeln. Ein­mal hat­te ich ganz gro­ßes Glück. Eine Bäue­rin berei­te­te gera­de eine But­ter­krem­tor­te vor. Ich durf­te mich mit ihren Kin­dern in eine Rei­he stel­len und den Mund auf­ma­chen. Jede bekam einen Tup­fen But­ter­krem auf die Zun­ge gespritzt. 

    Wir waren auch nicht modisch geklei­det. Ich kann mich mit Grau­sen an mei­nen grü­nen Anzug erin­nern, die aus einer Uni­form genäht wor­den ist. Mei­ne Ober­schen­kel wur­den davon ganz wund und wur­den abends mit Bor­sal­be ein­ge­schmiert, die furcht­bar brann­te. Eine Tan­te schick­te Pake­te mit abge­leg­ter Klei­dung ihrer bei­den Kin­der, die dann für mich geän­dert wurde.

  13. Die Befrag­ten waren damals Kin­der. Mit den Erin­ne­run­gen kamen auch Tränen.

    Hil­de­gard, gebo­ren 1950 erzählt:
    Wir soll­ten uns heu­te nicht viel bekla­gen wegen der Kri­se. Das ist nicht die ers­te Kri­se, die die Welt kennt.
    Mein Vater war bei der Mari­ne auf einem U‑Boot von Norwegen.
    Als er nach Hau­se ankam, waren sei­ne Eltern, also mei­ne Groß­el­tern auf dem Feld. Er lief sofort dort­hin. Aber er hat sei­nen Vater nicht erkannt. So abge­ma­gert sei der gewesen. 

    Maria, gebo­ren 1939
    Als die Front immer näher rückte
    und wir unter Artil­le­rie­be­schuss gerie­ten, wur­de der Kel­ler so her­ge­rich­tet und Platz geschaf­fen, dass wir dort mit 6 Per­so­nen schla­fen konn­ten. Da es aber Win­ter war, wur­de es kalt und feucht.
    Auf den Dampf­lo­ko­mo­ti­ven wur­den Koh­len gestoh­len, damit man im kal­ten Win­ter etwas zum Hei­zen hatte.
    Da stell­te das Klos­ter in unse­rem Ort den Fami­li­en die leer ste­hen­den Zim­mer zur Verfügung.
    Mein Vater und mei­ne Tan­te gin­gen täg­lich mor­gens und abends das Vieh versorgen.
    Von den Bom­ben wur­de die Brü­cke zer­stört und eben­falls die Bahngleise.
    Nach Kriegs­en­de durf­ten alle zurück in ihre Häu­ser, soweit die­se noch bewohn­bar waren.
    Man begann alles pro­vi­so­risch zu fli­cken und wie­der herzurichten.
    Wir hat­ten eine klei­ne Land­wirt­schaft, so dass wir kei­nen Hun­ger lei­den mussten.
    Eines Tages woll­te mein Vater aufs Feld, um nach dem Getrei­de zu schau­en. Mei­ne Mut­ter warn­te ihn, vor­sich­tig zu sein, da über­all noch Minen und Gra­na­ten herumlagen.
    „Wei­ber­quatsch”, sag­te damals der Vater.
    Mei­ne Mut­ter hat­te einen guten Grund: Vor­her hat­ten 2 Jun­gen aus unse­rer Nach­bar­schaft beim Spie­len schon Gra­na­ten gefun­den und einer kam zu Tode.
    Auch mein Vater erlitt ein ähn­li­ches Schick­sal. Er trat auf eine Gra­na­te. Damit konn­te er nicht mehr viel in der Land­wirt­schaft arbei­ten und wir waren oft auf Nach­bar­schafts­hil­fe angewiesen.

    In vie­len Dör­fern hier, in der Eifel gescha­hen nach dem Krieg ähn­li­che Unfäl­le mit Gra­na­ten: Fin­ger oder Arm abge­ris­sen, auch Todesfälle.

    Sophie, gebo­ren 1937
    Auf unse­rem Bahn­hof stand noch ein allein­ge­las­se­ner Güter­zug mit Muni­ti­on und Tankwagen.
    Unse­re Gegend wur­de täg­lich bom­bar­diert und nachts haben wir zur Sicher­heit im Kel­ler geschlafen.
    Am 15 Janu­ar 1945 erfuhr einer der Sol­da­ten, dass um 11 Uhr der Bahn­hof und der Zug bom­bar­diert würde.
    Doch die Bom­ben kamen viel frü­her, als ange­ge­ben war und die Leu­te befan­den sich noch nicht im Keller.
    Plötz­lich gab es einen ohren­be­täu­ben­den Knall, als die ers­ten Bom­ben unser Nach­bar­haus trafen.
    Durch den Luft­druck platz­ten unse­re Fens­ter und flo­gen mit Schutt und Staub in die Stu­be. Auch das Kreuz fiel von der Wand. Einer der Sol­da­ten drück­te mir das Kreuz in die Hand und sag­te: „ Hal­te es gut fest.” 

    Im Febru­ar besetz­ten Ame­ri­ka­ner unser Dorf.
    Mein Onkel brach­te uns Stroh von zu Hau­se mit, denn es war Win­ter und bit­ter kalt.
    Die ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten gaben uns ihre Pfer­de­de­cken, die aber oft voll Läu­se und Flo­he waren. Aber sie wärm­ten uns.

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